Jan Forstbauer: Zur Notwendigkeit einer geldtheoretischen Betrachtung des Arbeitsbegriffes (POLITISCHE THEORIE UND ARBEIT #5)

In seinem Blogbeitrag argumentiert Jan Forstbauer für eine geldtheoretische Ergänzung von politiktheoretischen Untersuchungen zur Arbeit. Veränderungen der Arbeitsstruktur können laut Forstbauer nur im Zusammenhang mit den entsprechenden Veränderungen der Geldstruktur verstanden werden. Darüber hinaus plädiert er angesichts der politisch-institutionellen und gesellschaftlichen Grundlagen des Geldsystems für die Ausarbeitung einer politischen Theorie des Geldes.


„Money is omnipresent“ (Kraemer et al. 2020, 220). Mit diesen Worten leiten Kraemer et al. ihren Artikel „Money Knowledge or Money Myths?“ (2020), in welchem sie ihre Untersuchungsergebnisse zum allgemeinen Wissensstand zu Geldfragen und monetären Institutionen in der Bevölkerung präsentieren. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist für Kraemer et al. die Tatsache, dass Geld eine zentrale ökonomische und allgegenwärtig soziale Institution in modernen Gesellschaften darstellt (ebd, 220f). Angesichts dieser simplen Feststellung stellt sich die Frage, warum es bislang keine entsprechende politiktheoretische Aufarbeitung des Geldes gibt. Indem die Politische Theorie das Geld kategorisch dem Raum der sozialen Handlungen ausschließt, bleibt sie blind gegenüber grundlegenden gesellschaftlichen Zusammenhängen, die sich aus der Geldverwendung und Geldproduktion ergeben. Dagegen skizziere ich im Folgenden in fünf Schritten den Beitrag, den eine politische Theorie des Geldes zur Diagnose der Krise unserer gegenwärtigen Arbeitsverhältnisse beitragen kann.

  • Simmel legt anschaulich dar, wie das Geld als absolutes Zahlungsmittel sozial konstruiert wird. Mit dem Geld erfolgt die soziale Integration in die kapitalistische Wirtschaftsform und damit die Vergesellschaftung in die Organisationslogik der Erwerbsarbeit.
  • Damit Geld die entsprechenden Funktionen ausüben kann, ist die Vorstellung der Geldwertstabilität zwingend erforderlich. Diese wird durch das Vertrauen in die politisch-institutionelle Sicherheitsstruktur sowie in die Wirtschaftsleistung erzeugt.
  • Ganßmann sieht Geld- und Wirtschaftshandlung aus diesem Grund im sozialen Raum angesiedelt. Aufgrund seiner Konstruktion als absolutem, wertstabilem Zahlungsmittel absorbiert es teilweise die in diesen Interaktionen inhärente Ungewissheit.
  • Der daraus resultierende Zwang zum Geldgebrauch ist gleichbedeutend mit einem Zwang zum Gelderwerb. Gerade im Hinblick auf den Arbeitsbegriff bringt Ganßmann somit eine unverzichtbare Perspektive in die Diskussion ein. Der Geldbesitz wird zum entscheidenden Bestimmungsmerkmal individueller Handlungsmöglichkeiten und übersetzt sich für die meisten Akteurinnen und Akteure in einen Zwang zur Erwerbsarbeit. Eine Untersuchung von arbeitsstrukturellen Veränderungen kann also nicht ohne eine geldstrukturelle Betrachtung erfolgen.
  • Durch die Monetarisierung der Haushalte als Folge der geld- und arbeitsstrukturellen Imperative richten diese schließlich ihre Organisation und Handlungskoordination systematisch auf den Gelderwerb aus.

Dieser Blogbeitrag hat zum Ziel, die Notwendigkeit geldtheoretischer Überlegungen zum einen für die Politische Theorie an sich und zum anderen für Untersuchungen zum Arbeitsbegriff bzw. Arbeitsstrukturen beispielhaft an der Monetarisierung der Haushalte herauszustellen.

Geld als absolutes Mittel

Simmels geldtheoretische Überlegungen sind der Ausgangspunkt zahlreicher soziologischer Ansätze, den Zusammenhang der gesellschaftlichen Organisation und des Geldsystems zu untersuchen. Damit soll insbesondere erklärt werden, warum Geld im modernen Kapitalismus bestimmte Funktionen annimmt. Die wesentliche Eigenschaft des Geldes ist für Simmel dabei, dass es als „reines Zeichengeld“ (Simmel 1900, 193) existiert, also durch keine anderen Vermögenswerte abgesichert ist.

Simmel ist der Auffassung, dass die Verwendung von Zeichengeld von der staatlichen Garantie auf einen entsprechenden Realwert abhängt. Darüber hinaus sei auch Vertrauen in die nationale Wirtschaftsleistung notwendig. Die Wertbeständigkeit des Geldes wird somit zu einer „praktisch notwendige[n] Fiktion“ (Simmel 1900, 234) für eine funktionierende Geldwirtschaft.

Der Verlauf der „Symbolwerdung“ (ebd, 170) des Geldes ist für Simmel entscheidend, um die „absolute[n] Unbestimmtheit seiner Verwendung“ (ebd, 414) in der modernen Gesellschaft nachvollziehen zu können. Nur im Laufe dieses Prozesses kann Geld zu purer Quantität und damit zum alleinigen quantitativen Wertausdruck der Ware werden. Aglietta verweist deshalb auf die Parallelität der geschichtlichen Entwicklung von (kapitalistischer) Marktwirtschaft und zunehmender Symbolwerdung des Geldes (vgl. Aglietta 2002, 33). Durch diese wird Geld „absolutes Mittel“ (Simmel 1900, 305), kann seine Funktion als endgültiges Zahlungsmittel in sozialer, sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht fast unbegrenzt ausfüllen und steigt damit zum „Endzweck des wirtschaftlichen Handelns“ (Kraemer 2021b, 77) auf.

Als logischer Folge dieser Entwicklung kommt es einerseits zu einer Versachlichung der sozialen Beziehungen zwischen Menschen und andererseits zu einer Versachlichung der Beziehung zwischen Mensch und Natur (der Gegenstand als Ware). Für Simmel ist jedoch der zugrunde liegende rein quantitative Aspekt des Geldes Voraussetzung und Bedingung für seine qualitative Verwendung. Daher verschafft Geld als absolutes Mittel die Möglichkeit zur Verwirklichung der individuellen Freiheit (vgl. Simmel 1900, 375ff & 665). Die soziale Funktion des Geldes besteht demnach darin, den Individuen die bestehenden sachlichen Abhängigkeiten zu vermitteln und sie dadurch in die moderne Wirtschaftsform zu integrieren (vgl. ebd, 209). Dieser Prozess der Integration führt im Anschluss an Ganßmann auch zur Vergesellschaftung in die kapitalistisch organisierte Erwerbsarbeit.

Obwohl Simmel die monetäre Rationalisierung und Sozialisierung der Gesellschaft im Kapitalismus nachzeichnet, lässt er den Geldzugang in seinen Analysen außen vor. Der gesellschaftliche Zusammenhang zwischen Geld und Arbeit bleibt unberücksichtigt. Gerade weil Geld absolutes (Zahlungs)Mittel ist, herrscht ein praktischer Zwang zum Geldgebrauch und daher gleichbedeutend für die meisten Akteure ein Zwang zur (Erwerbs)Arbeit (vgl. Ganßmann 1996, 256). Somit rücken sowohl der Arbeitsbegriff als solcher sowie betriebliche Arbeitsstrukturen und ihr Zusammenhang mit Geldstrukturen in den Fokus.

Geld und Ungewissheit

 Ganßmann geht von der Annahme aus, dass Arbeit gegen Bezahlung das wesentliche Merkmal des modernen Kapitalismus ist. Letzteren definiert er als wirtschaftliche Organisationsform, die auf profitorientierte Kapitalnutzung ausgerichtet sei. Eine funktionierende Geldwirtschaft wird somit zu einer notwendigen – aber nicht hinreichenden – Bedingung für den Kapitalismus. Gleichzeitig findet – wie bereits angesprochen – eine parallele Entwicklung von Wirtschafts- und Geldsystem statt, die unter anderem Auswirkung auf die Produktions- und Arbeitsprozesse hat (vgl. Ganßmann 2012, 7-13).

Der Rückgriff auf das vermittelnde Medium Geld ist laut Ganßmann allgemein auf die in sozialen Interaktionen inhärente Ungewissheit zurückzuführen. Damit stellt er sich klar gegen eine rigorose Einteilung in norm- und zweckorientierte Handlungsmuster (vgl. Ganßmann 1996, 23-26). Die Geldfunktion könne nur erklärt werden, wenn ihr Bedeutung für die „Kontingenzproblematik menschlichen Handelns (Kraemer 2021a, 341) betont wird. Auch hier gilt, dass der Einfluss einer monetären Steuerungsfunktion in sozialen Interaktionen nur dann untersucht werden kann, wenn auch von einem geldtheoretischen Standpunkt aus „offene Handlungssituationen“ (Ganßmann 1996, 49) betrachtet werden.

Diese Überlegungen führen Ganßmann auch zu einer Ablehnung ökonomischer Gleichgewichtsannahmen. Geld sei aber in der Lage, die Ungewissheit über den Ablauf und Ausgang sozio-ökonomischer Interaktion bis zu einem gewissen Grad zu absorbieren, da Zahlungsverpflichtungen final immer mit Geld nachgekommen werden muss.

Geld ist damit in erster Linie ein Ausdruck für bestimmte Vermögenswerte, die sich zum Nennwert (ohne Wertverlust) veräußern lassen. Dafür bedarf es eines staatlich anerkannten Geldstandards (Währung in Form von Zentralbankgeld), der einen quantifizierbaren Wertausdruck für alle Vermögenswerte ermöglicht. Durch die staatlichen Sicherheitsstrukturen lässt sich daher anhand der Konvertibilität von Vermögenswerten in Zentralbankgeld die Geldnähe (Moneyness) einzelner Vermögenswerte bestimmen. In dieser Hinsicht entstehen neue Geldformen vor allem in der Absicht, die Zahlung und damit Beschaffung von Zentralbankgeld hinauszuzögern. In der modernen Geldwirtschaft wird diese Funktion durch Kreditgeld erfüllt. Die Geldwertstabilität ist dabei an die Erwartung zukünftiger Rendite geknüpft.

Wenn also heutzutage Kredite als finale Zahlungsmittel akzeptiert werden, dann nur, weil sie in modernen Zahlungssystemen die Geldfunktion annehmen, also zu Kreditgeld werden. In diesem Fall ist Kredit eine Form von Geld, aber Geld keine Form von Kredit. Die Kreditform des Geldes kommt vor allem bei der modernen Geldschöpfung zum Tragen, weswegen grundsätzlich eine Kredittheorie des Geldes einer Geldtheorie des Kredits vorzuziehen ist (vgl. Ganßmann 2012, 118ff). Das bedeutet aber auch, dass Geld an sich keine soziale Beziehung ist, sondern stattdessen im Kontext sozialer Beziehungen als sozialer Fakt entsteht und diese als Medium intersubjektiv vermittelt.

Geld und Arbeit

 Ganßmanns Analyse des Zusammenhangs von Geld und Arbeit ist von seinem Verständnis des Arbeitsbegriffes bestimmt. Mit Arbeit werde die soziale und generative Reproduktion gesichert. Wie Bauhardt anmerkt, findet Arbeit „nicht allein im Lohnarbeitsverhältnis, also auf dem Erwerbsmarkt statt“ (Bauhardt 2019, 255). Dennoch „ist die individuelle Reproduktion des Einzelnen in der modernen Gesellschaft nur dann gesichert, wenn die dafür notwendigen Leistungen auf Märkten gegen Geldzahlungen gekauft werden können“ (Kraemer 2021a, 343). Somit erhält im durch Arbeitsteilung gekennzeichneten Kapitalismus nur Arbeit gegen Geldzahlung den Status anerkannter Erwerbsarbeit. Der Arbeitsbegriff kann immer nur unter der Bedingung untersucht werden, dass eine existierende Geldwirtschaft bereits vorausgesetzt ist.

Ganßmann schreibt dem Geld eine Steuerungsfunktion zu, dessen Auswirkungen erst im Zusammenhang mit Arbeit sichtbar gemacht werden können. Die „handlungskanalisierenden Auswirkungen“ (Ganßmann 1996, S. 245) der Budgetrestriktion bestimmen die Möglichkeiten, die eigene Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Diese bestimmt wiederum den Zugang zu Gütern aller Art.

Die veränderten Strukturen der Geldform führen zwangsläufig auch zu Veränderung der Arbeitsform sowie der Arbeitsverhältnisse und orientieren sich nach Ganßmanns Ansatz an der Flexibilisierung der Geld- und Kreditstrukturen. Die strukturellen Veränderungen der Arbeitsform und ihre Auswirkungen werden zumeist unter dem Begriff der Entgrenzung zusammengefasst, der den „sozialen Prozess der Restrukturierung“ (Ludwig et al. 2019, 16) der Arbeitsverhältnisse beschreibt. Der Begriff greift damit die zunehmende „Internationalisierung der Unternehmensstrukturen, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes oder die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Leiharbeit, befristete Tätigkeit usw.)“ (Deppe 2019, 12) auf.

Diese strukturorientierte Bedeutungsebene wird durch die These des Arbeitskraftunternehmers durch eine subjektbezogene Analyse ergänzt, die die daraus resultierenden Anforderungen an Lohnarbeitende in den Blick nimmt (vgl. Ludwig et al., 19). Von dieser verstärkten Flexibilisierung der Arbeitssubjekte ausgehend entwickelten Pongratz und Voß das theoretische Konzept des Arbeitskraftunternehmers, der als idealtypische Grundform der Arbeitskraft für den modernen Kapitalismus betrachtet wird (vgl. Voß 2007, 98). Zentrale Merkmale dieser Entwicklung sind zum einen die Destrukturierung von betrieblich vorgegebenen Arbeitsverhältnissen und -prozessen und zum anderen die individuelle, aktive Entwicklung und somit Restrukturierung von Handlungsvorgaben (vgl. Voß 1998, 476).

Im Gegensatz zu einer Rationalisierung der Lebensführung im Sinne Webers, die eher vorgegebene und begrenzte Handlungsmuster prognostiziert, nimmt die Konzeption des Arbeitskraftunternehmers die entgrenzenden Auswirkungen von Rationalisierungsprozessen in den Fokus (vgl. ebd, 483). Damit wird im Alltag eine Reagibilität und Responsivität erfordert, die die Unsicherheit unternehmerischen Wirtschaftens widerspiegeln und diese an die Arbeitskräfte – und somit auch an die Haushalte als zentrale Versorgungsgemeinschaften – weitergeben. Dies ist einer der zentralen Mechanismen, die den monetarisierten Haushalt hervorbringen.

Die Monetarisierung der Haushalte

Die Tatsache eines monetarisierten Haushalts ist folglich als wesentliches Merkmal des Kapitalismus zu verstehen. Bei der Konzeptualisierung von Entgrenzung besteht die Gefahr, „dass die Debatte um den Arbeitskraftunternehmer nicht nur ökonomisch und industriegesellschaftlich befangen bleibt, sondern auch einen Dualismus von Arbeit und Leben konstituiert“ (Ernst 2007, 140). Eine strikte Abgrenzung der Arbeit gegenüber anderen sozialen Handlungen sieht auch Ganßmann kritisch. Damit werde eine Analyse von „Wirtschaften als sozialen Prozess“ (Ganßmann 1996, 67) sowie der gesellschaftlichen Dimension von Arbeitsprozessen an sich unmöglich.

Für Ernst findet die Vielfalt der beruflichen Ausgestaltung aufgrund der Fokussierung auf vollständig begrenzte beziehungsweise entgrenzte Arbeitsformen kaum Berücksichtigung. Darüber hinaus werde angenommen, die erhöhte Integration von Arbeit in den privaten Alltag stelle eine durchweg neue Anforderung dar, was Ernst zum Vorwurf der „Geschlechtsblindheit“ (Ernst 2007, 140) veranlasst. Die Neuartigkeit dieser Entwicklung besteht also darin, dass sie sich auch in Arbeitsbereichen vollzieht, die vorher zumeist von „Normalarbeitsverhältnissen“ geprägt waren. Auch wenn Arbeit und Privatleben sich nie diametral gegenüberstanden, so erfordert Entgrenzung dennoch eine individuelle Neuverhandlung dieses Verhältnisses. Mit der formell an die geänderten Geld- und Arbeitsstrukturen angepassten Ausgestaltung der Haushaltsstrukturen ändert sich auch die inhaltliche Qualität der Monetarisierung.

Die Monetarisierung des Haushalts beschreibt damit die Selbst-Rationalisierung der Haushaltsführung. Mit dem Kreditgeld als moderne Geldform wird diese Rationalisierungstendenz noch verstärkt, da Zahlungsversprechen als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Die zusätzliche Unsicherheit dieser Kreditbeziehung im Vergleich zu Geldbeziehungen bezieht sich auf die erwartete zukünftige Zahlungsfähigkeit. Um diese zu gewährleisten, werden vermehrt alle Lebensbereiche und Handlungen des Haushalts auf die Sicherstellung zukünftiger Gelderträge ausgerichtet.

Wie bereits erwähnt, muss sich der Haushalt als wirtschaftliche Versorgungseinheit stetig monetär reproduzieren. Der Gelderwerb ist demnach eine soziale Gemeinschaftsleistung. Der Haushalt nimmt in dieser theoretischen Betrachtung die Form eines Gemeinschaftsunternehmens an, was die Erwerbsarbeit dann zu einem Gemeinschaftsprodukt für die Geldbeschaffung macht. Die dafür erforderlichen Kompetenzen beziehen sich nicht nur auf Arbeitsanforderungen, sondern auch an haushaltsinterne Anforderungen der Handlungskoordination.

Fazit

 Dieser Blogbeitrag ist der Frage nachgegangen, wie sich die Monetarisierung der Haushalte theoretisch aus dem Zusammenhang von Geld und Arbeit herleiten lässt. Hierfür wurden zunächst die geldtheoretischen Ansätze von Simmel und Ganßmann vorgestellt und Geld als absolutes Mittel definiert, das aufgrund seiner Eigenschaft, Zahlungen final abzuschließen, die bei sozio-ökonomischen Interaktionen auftretenden Unsicherheiten (teilweise) absorbiert. Die soziale Reproduktion im kapitalistischen Wirtschaftssystem kann folglich nur mithilfe von Geldmittel sichergestellt werden. Haushalte richten ihre Organisation und Handlungskoordination folglich auf die Akkumulation von Geldbesitz aus. Dies erfolgt in der Regel über Erwerbsarbeit. Über das Medium Geld erfolgt deswegen die Vergesellschaftung in die kapitalistische Produktionslogik. Darauf aufbauend drückt sich die Monetarisierung der Haushalte durch eine angepasste formelle Ausgestaltung in Bezug auf Organisation und Handlungskoordination aus.

Über den in diesem Blogbeitrag ausgearbeiteten Zusammenhang hinaus bietet eine politische Theorie des Geldes auch weitere Ansätze für politiktheoretische Forschung. Aufbauend auf einem Verständnis von Politischer Theorie als Demokratiewissenschaft könnte daher die Frage nach der demokratischen Aushandlungen von Geldformen untersucht werden. Eine politiktheoretische Betrachtung des Zusammenhangs von Geld und Arbeit ist geradezu notwendig, wenn die politisch-institutionellen und gesellschaftlichen Grundlagen des Geldsystems in den Vordergrund gerückt werden. Eine Untersuchung der entsprechenden demokratisch-gesellschaftlichen Zusammenhänge bedingt eine theoretische Verständnisgrundlage.

Das betrifft beispielsweise zum einen den Staat, der mit der Geldpolitik zur Stabilität der Geldwirtschaft beiträgt, aber gleichzeitig eigene politische Ziele verfolgt (vgl. Kirshner 2003, 655ff). Zum anderen betrifft es aber auch supranationale Institutionen (z.B. EU, IWF, WTO etc.), die das Zusammenspiel verschiedener Geld- und Arbeitsmärkte regeln.

Des Weiteren hat die Geldforschung in letzter Zeit vermehrt auch privat organisierte Geldäquivalente im Blick. So gibt es im sogenannten Schattenbankensystem mit den Rückkaufvereinbarungen (Repos) geldähnliche Zahlungsmittel, die durch ihre marktbasierte Bewertung mit nur geringem Nennwertverlust gehandelt werden können. Ist im Kreditsystem die Kreditwürdigkeit das bestimmende Kriterium, so wird im Schattenbankensystem die Wertpapierstabilität der entscheidende Faktor. Das staatlich abgesicherte Geldsystem ist mit dem Schattenbankensystem unweigerlich verknüpft. Die Zentralbank ist nunmehr gezwungen, nicht nur Institutionen, sondern auch (Geld)Märkte abzusichern. Da Staatsanleihen die am häufigsten verwendeten Sicherheiten für Repo-Transaktionen sind, trägt der Staat aktiv zur Entstehung dieser neuer Geldform bei. Zusammen mit der Zentralbank entscheidet er darüber, welche Vermögenswerte die Geldform und/oder geldähnliche Eigenschaften annehmen können. Die (Art und Weise der) Aushandlung der Geldnähe von Vermögenswerten ist daher auch eine der wichtigsten sozioökonomischen Aufgaben für Staaten (vgl. Gabor & Vestergaard 2016, 32f).

 

Der nächste Beitrag von Lina Teichert zu Animal Labour erscheint am Freitag, den 10. Juni.

 

Literaturverzeichnis

Aglietta, Michel (2002): Whence and Whither Money? In: OECD – Organisation for Economic Co-Operation and Development (2002): The Future of Money, S. 31-72

Bauhardt, Christine (2019): Feministische Ökonomiekritik: Arbeit, Zeit und Geld aus einer materialistischen Geschlechterperspektive. In: Kortendiek et al. (Hrsg.): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung, Geschlecht und Gesellschaft (2019), S. 253-261

Deppe, Frank (2019): Vorwort: Entgrenzte Arbeit – (un)begrenzte Solidarität? In: Ludwig, Simon & Wagner (Hrsg.): Entgrenzte Arbeit – (un)begrenzte Solidarität? (2019), S. 9-15

Ernst, Stefanie (2007): Verdichtung, Flexibilisierung und Selbstvermarktung. Fremd- und Selbstzwänge in modernen Beschäftigungsfeldern. In: Aulenbacher et al. (Hrsg.): Arbeit und Geschlecht im Umbruch der modernen Gesellschaft (2007), S. 131-148

Gabor, Daniela & Vestergaard, Jakob (2016): Towards a theory of shadow money. Institute for New Economic Thinking INET: Working Paper (2016)

Ganßmann, Heiner (1996): Geld und Arbeit: wirtschaftssoziologische Grundlagen einer Theorie der modernen Gesellschaft. Frankfurt/Main: Campus Verlag

Ganßmann, Heiner (2012): Doing Money. Elementary monetary theory from a sociological standpoint. London: Routledge

Ingham, Geoffrey (2002): New Monetary Spaces? In: OECD – Organisation for Economic Co-Operation and Development (2002): The Future of Money, S. 123-147

Keynes, John Maynard (1930): A Treatise on Money. Cambridge: Cambridge University Press

Kirshner, Jonathan (2003): Money is politics. In: Review of International Political Economy (2003, Vol. 10 [4]), S. 645-660

Kraemer, Klaus (2018): Geld als „absolutes Mittel“? In: Lautmann & Wienold (Hrsg.): Georg Simmel und das Leben in der Gegenwart (2018), S.47-68

Kraemer, Klaus et al. (2020): Money Knowledge or Money Myths? Results of a population survey on money and the monetary order. In: European Journal of Sociology (2020, Vol. 61 [2]), S. 219-267

Kraemer, Klaus (2021a): Heiner Ganßmann: Geld und Arbeit. In: Kraemer & Brugger (Hrsg.): Schlüsselwerke der Wirtschaftssoziologie (2021, 2. Auflage), S. 339-348

Kraemer, Klaus (2021b): Georg Simmel: Philosophie des Geldes. In Kraemer & Brugger (Hrsg.): Schlüsselwerke der Wirtschaftssoziologie (2021, 2. Auflage), S. 69-82

Ludwig, Carmen; Simon, Hendrik & Wagner, Alexander (2019): Entgrenzte Arbeit und gewerkschaftliche Solidarität im flexiblen Kapitalismus. In: Ludwig, Simon & Wagner (Hrsg.): Entgrenzte Arbeit – (un)begrenzte Solidarität? (2019), S. 16-31

Niesen, Peter (2007): Politische Theorie als Demokratiewissenschaft. In: Buchstein & Göhler (Hrsg.): Politische Theorie und Politikwissenschaft (2007), S. 126-155

Simmel, Georg (1989): Die Philosophie des Geldes. In: Frisby & Köhnke (Hrsg.): Georg Simmel Gesamtausgabe, Band 6. Frankfurt/Main: Suhrkamp

Stützle, Ingo (2015): Der Gott der Waren. Ökonomische Theorie und ihr Geld. In: PROKLA (2015, Vol. 179 [2]), S. 177-198

Voß, G. Günther (1998): Die Entgrenzung von Arbeit und Arbeitskraft. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (1998, Vol. 31), S. 473-87

Voß, G. Günther (2007): Subjektivierung von Arbeit und Arbeitskraft. Die Zukunft der Beruflichkeit und Gender als Beispiel. In: Aulenbacher et al. (Hrsg.): Arbeit und Geschlecht im Umbruch der modernen Gesellschaft (2007), S. 97-113


Hier geht es zu den Vorbemerkungen zum Blogprojekt POLITISCHE THEORIE UND ARBEIT

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert