Jannik Heinze: „Auf Augenhöhe arbeiten“. Die Firma „oose“ als Beispiel für New Work (DOSSIER „STADT DER GUTEN ARBET“ #2)

Tim Weilkiens ist Vorstand eines ungewöhnlichen Unternehmens für innovative Informatikdienstleistungen. „oose“ ist ein Beratungs- und Trainingsunternehmen für System- und Softwareengineering in Hamburg. Seit ihrer Gründung zeichnet sich die Firma durch eine starke Mitbestimmung der Mitarbeiter:innen und ein Genossenschaftskonzept aus, bei welchem die Mitarbeiter:innen Teilhaber der Firma sind. Vorstand Weilkiens nennt sein Konzept „New Work“ mit dem Slogan „auf Augenhöhe arbeiten“. Inhaltlich bedeutet dies, dass Mitarbeiter:innen gemeinsam und gleichberechtigt an Projekten arbeiten. Sie sollen ein Projekt gemeinsam tragen und werden dabei im Vergleich zu konventionellen Unternehmen deutlich mehr in die Verantwortung genommen.


Durch die genossenschaftliche Organisierung könnten die Mitarbeiter:innen der Firma „oose“ besser mitbestimmen, sagt Vorstand Weilkiens, da es für sie mehr Möglichkeiten der Freiheit und Partizipation gebe. Dies wird dadurch erreicht, dass jeder Mitarbeiter als Genossenschaftler Teilhaber des Unternehmens ist. Unternehmensentscheidungen werden auf einer Generalversammlung mit den Stimmen aller mitarbeitenden Teilhaber:innen beschlossen. Die Geschäftsführung entscheidet nicht allein; Dank des Selbstorganisationskonzepts entscheidet auch die Belegschaft über die Richtung des Unternehmens.

Ein weiterer Baustein für eine bessere Arbeitskultur ist der Abbau von Hierarchien. Konservative Arbeitsprozesse ohne flexible Gestaltung soll es nicht geben. Hierfür sorgten laut Weilkiens vor allem die neuen Konzepte zur Selbstorganisation, da diese flachere Hierarchien und eine flexiblere Gestaltung der Unternehmensstrukturen ermöglichten. So könne man flexibel auf die Größe des Unternehmens reagieren, trotz der abgeflachten Hierarchien.

Die Informatik-Firma hat sich das Konzept „Holokratie“ zum Vorbild genommen. Dieses geht auf den amerikanischen Unternehmer Brian Robertson zurück. Es sieht vor, dass Vorschläge in Unternehmen schnell entwickelt werden und Einwände der Mitarbeiter:innen und Belegschaft berücksichtigt werden, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Dieser Prozess soll erst enden, wenn alle potenziellen Einwände integriert sind und das Ergebnis eine gute Struktur hat. Generelles Ziel ist es, die Bürokratie und Schwerfälligkeit herkömmlicher Entscheidungsstrukturen und Prozesse abzubauen. Insgesamt soll dieses Arbeitskonzept Klarheit in Arbeitsabläufe bringen, die Verantwortungsbereiche neu eingrenzen, Entscheidungen vereinfachen und das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen steigern.

Bei „oose“ wurde mit der Umstellung der Selbstorganisation 2012 begonnen. Im Jahr 2014 wurde die Rechtsform des Unternehmens auf eine Genossenschaftsbasis umgestellt. Letztliches Ziel der Umstellung sei es laut Weilkiens gewesen, dass die Mitarbeiter:innen eine persönliche Weiterentwicklung und Möglichkeiten der Planung eigener Projekten erfahren.

Ein anderes Konzept der Umsetzung von New Work kann in Institutionen mit hauptsächlich hierarchischen Strukturen vorherrschen. In solchen Institutionen gibt es oft mehrere Leitungsebenen, welche die Einrichtung von neuen Arbeitskonzepten wie New Work komplexer machen. Hierfür ist die Universität Hamburg ein Beispiel.

Für sie verantwortet Judith Grutschpalk die Umsetzung des New-Work-Projekts. Ihr zufolge habe das Präsidium der Uni Hamburg die Initiative für eine Neugestaltung der Arbeitskultur ergriffen. Zum einen kümmern sich jetzt Fachexperten darum, dass neue universitätsinterne Schulungsangebote sowie Online-Werkzeuge zur verbesserten Raumbuchung eingerichtet, aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt werden. Zum anderen habe die Umsetzung von New Work laut Grutschpalk in einzelnen Arbeitsbereichen der Uni begonnen – von Forschung bis Lehre. Bei einer Auftaktveranstaltung wurde als Ziel betont, alle Beteiligten in den Reformprozess zu integrieren. Aber es bleibt dabei, dass die Gestaltung des New-Work-Projektes vor allem vom Präsidium, also der obersten hierarchischen Ebene, und nicht den Mitarbeiter:innen der Universität angestoßen wurde. Dies zeigt den Unterschied zwischen einem Unternehmen wie „oose“ und einer staatlichen Institution. Wie sich zeigt, ist die Umstellung in hierarchischen Institutionen deutlich schwieriger als in genossenschaftlich organisierten Unternehmen, die mit einem Konzept der Selbstorganisation arbeiten. Solche Institutionen lassen, im Gegensatz zu Unternehmen mit Selbstorganisation, die Einbindung und Delegierung der Entscheidungen an die Mitarbeiter:innen bei der Ausarbeitung neuer Arbeitskonzepte eher nicht zu. Kritiker merken an, dass die Umsetzung von New Work-Konzepten und der damit verbundenen „Holokratie“ ausbaufähig sei. Probleme würden hinter schönen Begriffen versteckt. Dennoch zeigen Beispiele wie „oose“ und auch Unternehmen im Nonprofit-Bereich, dass das Konzept New Work mehr als nur eine utopische Sonntagsrede sein kann.


Der nächste Beitrag über die Arbeitsbedingungen Studentischer Beschäftigter an der UHH erscheint am morgigen Mittwoch, den 26. Oktober von Samuel Arndt & Luca Tielke.

Hier geht es zu den einleitenden Bemerkungen des Dossiers.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert