Ist der Einsatz für gute Arbeit vielleicht nicht Sache der Politik, sondern vor allem der Arbeitnehmer:innen selbst? SPD und Grüne haben sich 2020 in ihrem Koalitionsvertrag für die Stadt Hamburg dazu bekannt, Hamburg zu einer „Stadt der guten Arbeit“ machen zu wollen. „Gute Arbeit“ verstehen diese Parteien also als politische Aufgabe. Die Union aus CDU und CSU vertritt demgegenüber eine andere Position zur Gestaltung der Arbeitswelt. Wie aber sieht dann christdemokratische Arbeitspolitik aus? Was will die Union tun, um „gute Arbeit“ sicherzustellen?
Statt der Politik sollen aus Sicht der CDU/CSU weitgehend die Tarifpartner selbst regeln, wie gute Arbeit möglich ist. Dass in Hamburg und auch auf Bundesebene die Höhe des Mindestlohns gesetzlich festgelegt werden soll, ist „eigentlich ein systematischer Übergriff in eine Freiheit eines anderen Bereichs“, kritisiert Stefan Nacke, Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. Vielmehr sollten Vorschläge für die Höhe des Mindestlohns ausschließlich von der Mindestlohnkommission kommen. Diese besteht je aus drei Vertreter:innen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite, welche mit wissenschaftlicher Beratung über die Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns verhandeln und entscheiden.
Die Union möchte mit ihrer Arbeitsmarktpolitik Rahmenbedingungen schaffen für gute Arbeit und sieht die inhaltliche Ausgestaltung als „Frage des Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnisses“. Rund um den Bereich Arbeit sei demnach zu prüfen, ob es sich jeweils überhaupt um ein Thema handele, das politisch geregelt werden müsse. Nacke, der promovierter Soziologe ist, formuliert als Grundsätze christdemokratischer Arbeitspolitik, „dass wir die Sozialpartnerschaft, die Mitbestimmung und die Tarifautonomie stärken wollen. Das sind die zentralen Begriffe, die wir haben“. Arbeitnehmer:innen sollen sich gewerkschaftlich organisieren, um gegenüber Arbeitgeberverbänden ihre Interessen und Bedürfnisse zu artikulieren.
Auf politischer Ebene geht es der Union darum, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften für Arbeitnehmer:innen attraktiver zu machen und zu verhindern, dass Unternehmen aus dem Arbeitgeberverband austreten. Ziel ist es also, alle Beteiligten zusammen an einen Tisch zu bringen, um dort über Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu debattieren. Tarifbindung soll verstärkt, Tarifautonomie gewahrt werden. Inhaltliche Maßnahmen darüber hinaus seien jedoch möglichst branchenspezifisch zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden auszuhandeln. Dahinter steht die Annahme, dass die Politik die Bedürfnisse und Erwartungen in den konkreten Arbeitsprozessen weniger gut kenne als die Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen selbst.
Gute Arbeit sei vor allem ein kommunales Thema, das sich von Standort zu Standort und Branche zu Branche unterscheide: „Das ist nicht nur eine lokalpolitische, sondern fast eine unternehmenspolitische Fragestellung“, so Nacke. Wenn er aber selbst Bürgermeister wäre und seine Stadt zu einer „Stadt der guten Arbeit“ machen wollte, könnte er sich politische Maßnahmen dafür in etwa so vorstellen: In einem ersten Schritt gelte es diejenigen Probleme zu ermitteln, die guter Arbeit im Wege stehen. Dafür würden Unternehmen und Vertretungen der Arbeitnehmer:innen zusammengebracht und deren jeweilige Einschätzungen eingeholt werden. Davon ausgehend könnten die Probleme identifiziert werden, „die auch dann direkt politische Maßnahmen nach sich ziehen müssen“.
Nacke denkt hier vor allem an Infrastruktur für Kommunikation und Mobilität. Politisch sollte also sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer:innen gut öffentlich oder privat zur Arbeit kommen können – beispielweise mittels einer besseren Anpassung des öffentlichen Nahverkehrs an die Schichtzeiten oder zusätzlicher Parkplätze. Am Arbeitsplatz selbst wären durch politische Maßnahmen technische Standards zu gewährleisten, etwa durch den Ausbau des Glasfasernetzes. Darüber hinaus will Nacke befördern, dass Vertretungen der Arbeitnehmer:innen mit ihren jeweiligen Arbeitgeber:innen „in einen guten Austausch kommen“, der politisch jedoch auch immer wieder zu moderieren wäre. Als wichtige Machtmittel der Arbeitnehmer:innen in solchen Aushandlungen über Arbeitsbedingungen und Lohn sieht Nacke das Streikrecht und die Meinungsfreiheit. Er wirbt deshalb dafür, dass sich Arbeitnehmer:innen in Interessensvertretungen beziehungsweise Gewerkschaften organisieren.
Die Bedeutung, die dieser Unionspolitiker gewerkschaftlichem Engagement und auch dem Streikrecht beimisst, klingt überraschend nach SPD. Unterschiede zeigen sich aber dann in der Zurückhaltung der CDU, wenn es um gestalterische Fragen geht. „Das kann wahrscheinlich der Grund sein, warum man nicht so unmittelbar sagt, die Union oder die Christdemokratie hat was mit guter Arbeit zu tun“, resümiert Nacke.
Hier geht es zu den einleitenden Bemerkungen des Dossiers.