Winfried Steffani erhielt 1967 als Nachfolger von Wilhelm Hennis, der das Institut für Politische Wissenschaft nach Freiburg verlassen hatte, einen Ruf an die Universität Hamburg. In seinen über zwanzig Jahren Forschung und Lehre in Hamburg konsolidierte er die Disziplin der Vergleichenden Regierungslehre am Institut. Und auch über den Universitätskontext hinaus war er ein außergewöhnlicher, allseits präsenter und breit honorierter Vertreter seines Faches. In diesem Fundstück erinnern wir an die Biographie Steffanis, eine Rezension von Florian Grotz zu Steffanis Standardwerk Parlamentarische und Präsidentielle Demokratie. Strukturelle Aspekte westlicher Demokratien ist bereits im vergangenen Jahr erschienen.
Winfried Steffani wurde 1927 in der polnischen Provinz Posen als Sohn eines evangelischen Pastors geboren. Nachdem die Pfarrersfamilie nach Kriegsende 1945 nach Ostdeutschland geflohen war, hatte Steffani eine Tischlerlehre begonnen, ab 1948 außerdem eine Ausbildung zum Innenarchitekten in Ostberlin. Erst auf dem zweiten Bildungsweg gelangte Steffani an die Universität, holte zu Beginn der 1950er-Jahre – nun in Westberlin – sein Abitur nach und studierte schließlich ab 1952 Politologie an der Deutschen Hochschule für Politik, dem späteren Otto-Suhr-Institut an der Freien Universität Berlin.
Sein wichtigster akademischer Lehrer in Berlin wurde Ernst Fraenkel. Steffani war sein Assistent, insbesondere aber Fraenkels Pluralismustheorie infizierte Steffani, gab ihm sein wissenschaftliches Programm, das er mit seinen bis heute wichtigen Schriften zum Neopluralismus ausarbeitete. Nicht ohne Grund bezeichnete ihn Hans Hermann Hartwich einmal als „den Fraenkel-Schüler“. Und auch Udo Bermbach, den Steffani nach Hamburg holte, hob den entscheidenden Einfluss Fraenkels hervor. Bermbach zufolge erweiterte Steffani Fraenkels Theorie „vor allem hinsichtlich ihrer normativen Fundamente wie ihrer organisationstechnischen Ausdifferenzierung in bezug auf die gesellschaftlichen und politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse eines demokratischen-parlamentarischen Regierungssystems, so wie das Grundgesetz es entworfen hat“[1].
Nach Abschluss seiner Habilitation zu Parlamentsfraktionen in Deutschland, Großbritannien und den USA verließ Steffani Westberlin im Jahr 1966 und kommt nach kurzem Zwischenstopp als Vertretungsprofessor in Heidelberg zum Wintersemester 1967/68 an die Universität Hamburg. Hier findet er seine akademische wie persönliche Heimat, bleibt bis zur Emeritierung im Jahr 1990 und arbeitet in beeindruckender Quantität wie Qualität zu zentralen Fragen der Regierungslehre – zum Neopluralismus, aber etwa auch zu einer bis heute rezipierten Typologisierung parlamentarischer und präsidentieller Demokratien.
Neben seiner fachlichen Exzellenz wurde Steffani immer auch aufgrund seines beachtlichen gesellschaftlichen Engagements geschätzt. Über seine Tätigkeiten in akademischen Gremien und Vereinigungen hinaus – in Hamburg etwa ist er vierzehn Jahre lang Mitglied des Akademischen Senats der Universität, außerdem war er lange Jahre in Fachgruppen und Vorstand aktives Mitglied der DVPW, von 1971 bis 73 ihr Vorsitzender – ist Steffani stets politisch aktiv gewesen.
Während seines Studiums war er Mitglied des SDS und der SPD, wechselte dann erst zum ihm toleranter erscheinenden RCDS und wird 1955 Mitglied der Westberliner CDU. Auch in Hamburg ist Steffani politisch präsent, zeigt sich etwa für die Förderung ausländischer Studierender, als Protektor von Studierendenwohnheimen oder in der Hamburger Justizdeputation engagiert. Den wohl größten „Skandal“ bewirkt Steffani allerdings nach seiner Emeritierung. 1992 tritt er, erbost über eine vom Bundesparteigericht der Christdemokraten verweigerte Einsichtnahme von Mitgliederdaten, nach 37 Jahren Mitgliedschaft medienwirksam aus der CDU aus. Ein Jahr später findet er sich auch vor Gericht gegen seine alte Partei wieder, argumentiert vor dem Hamburger Verfassungsgericht gegen die CDU-Kandidatenaufstellung bei der Bürgerschaftswahl im Jahr 1991 und hat so keinen geringen Anteil an der Wiederholung der Wahl.
[1] Udo Bermbach 1990. Winfried Steffani, in: Universität Hamburg 2, S.63.
Text: David Weiß, Redaktion Politik 100×100