1983, elf Jahre nach dem gewaltvollen Putsch gegen den demokratisch gewählten, sozialistischen Präsidenten Chiles Salvador Allende, schicken sich zahlreiche Hamburger Aktivistinnen, darunter einige Exilchileninnen, an, dem Präsidenten auch in Deutschland ein Denkmal zu setzen. Nach zähem Ringen, zahlreichen Diskussionen und Demonstrationen wird schließlich ein Teil des Universitätscampuses in Allende-Platz umbenannt.
Das nächste Kapitel der Geschichte unseres heutigen sozialwissenschaftlichen Gebäudes, dem Allende-Platz 1, steht – wie alle anderen – unter den Zeichen der Zeit. Und auch dieses Mal geht es um die großen Fragen: Blockkonfrontation, antikoloniale Befreiung, Migration und Exilkultur sowie Kleinkriege in Bezirksfraktionen.
Nach der Befreiung im Jahr 1945 wächst die wiedereröffnete Universität stetig – in Mitgliederzahlen wie räumlicher Ausdehnung. In den 1950er und 60er-Jahren werden die Pläne für einen zusammenhängenden Universitätscampus, der die bislang im Stadtviertel Rotherbaum eher versprenkelten Universitätsgebäude verbindet, konkreter und schließlich auch weitgehend umgesetzt. Mit nur wenigen Jahren Abstand entstehen die noch heute markantesten Gebäude: der WiWi-Bunker, das autorium maximum und der Philosophenturm. Benannt wird der neue Campus nach Werner von Melle, einem der Hamburger Bürger, die sich Ende des 19. und vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die schwierige Gründung der Universität eingesetzt hatten. Der ehemalige Pferdestall, der sich seit 1928 in universitärer Nutzung befindet, Geistes- und Sozialwissenschaften beherbergt und von nun an das Westende des neuen Hauptcampus markiert, bekommt die Adresse Von-Melle-Park 15.
Im Jahr 1983 dann, wird dieser Westteil Gegenstand einer stadtpolitischen Kontroverse, angestoßen durch das Chilenische Solidaritäts-Komitee.
Das Chilenische Solidaritäts-Komitee, stadtöffentlich auch als CSK bekannt, hatte sich Ende September 1973, nur wenige Tage nach dem Putsch gegen Salvador Allende am 11. September, gegründet und – zuerst vor allem von aktiven Studierenden betrieben – die politische Arbeit aufgenommen. Durch Kulturveranstaltungen und Aktionen, wie Hungerstreiks, Werftbesetzungen und Demonstrationen wurde auf den Putsch gegen den 1970 von einem gesellschaftlichen Bündnis aus Christ- und Sozialdemokratinnen wie Sozialistinnen gewählten Allende aufmerksam gemacht. Gleichzeitig wurde immer wieder die Unterstützung westlicher Regierungen für den Putschisten Pinochet angeprangert und politisches Asyl für aus Chile Vertriebene gefordert. Auch konkret wurden ankommende Flüchtlinge, die sich nicht selten selbst dem CSK anschlossen, bei behördlichen Vorgängen und im neuen Alltag unterstützt.
Schon Mitte der 1970er-Jahre hatte es als Teil der Solidaritätsaktionen des CSK Überlegungen zu einer Umbenennung des universitären Von-Melle-Parkes in „Salvador-Allende-Straße“ gegebenen. Unterstützt vom Studierendenausschuss, der neben der Solidaritätsbekundung mit Salvador Allende vor allem auch die Hinterfragung der Person Werner von Melle als Namensgeber des Hauptcampus begrüßte, wurde eine entsprechende Petition an den Hamburger Senat eingereicht. Endgültig ins Rollen kam die Umbenennung allerdings erst 1983: Die Fraktionen der SPD und der GAL („Grün-Alternative Liste“) brachten im Juni 1983 Anträge in die Bezirksversammlung Eimsbüttel sowie die Hamburgische Bürgerschaft ein und forderten den Senat zur Umbenennung zumindest eines Teils des Von-Melle-Parks in Allende-Platz auf. Die Handelskammer kritisierte das Vorhaben als „demonstrative Einmischung Hamburgs in die innenpolitischen Auseinandersetzungen anderer Länder“, die „in weiten Kreisen des In- und Auslands die Vorbehalte gegen Hamburg“ (Abendblatt vom 18.08.1983) verstärken würden. Die CDU problematisierte die Unterstützung eines Präsidenten, „der die Freiheit der Presse und Gewerkschaftsarbeit stark einschränkt“ (Abendblatt vom 24.06.1983), doch der SPD-Senat unter Oberbürgermeister Klaus von Dohnanyi blieb unbeirrt und stimmte den Ersuchen zu. Zum 10 Jahrestag des Putsches, am 11. September 1983, wurden die Straßenschilder am neuen Allende-Platz montiert.
Heute wird in Hamburg jedes Jahr am 11. September mit einer Gedenkveranstaltung an die jüngere chilenische Geschichte erinnert. Veranstaltungsort ist natürlich der Allende-Platz am Rande des Universitätscampus.
Text: David Weiß, Redaktion Politik 100×100