Nele Eisbrenner: Koloniale Kontinuitäten in Mitten des Staates – Warum Dekolonisierung als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden muss (BUCHFORUM Naturzustand und Barbarei #6)

Im finalen studentischen Diskussionsbeitrag unseres Buchforums schlägt Nele Eisbrenner einige Ausgangspunkte vor, die für eine Fortführung und Erweiterung von Oliver Eberls Thesen über die inhärente Kolonialisierung der politischen, staatsbegründenden Theorie instruktiv sein dürften. Was bedeuten Eberls Darstellungen für eine dekolonialisierende Analyse konkreter Staatsinstitutionen, etwa der Polizei? Und welche konzeptionellen Revisionen implizieren Eberls Ausführungen auch für andere Disziplinen der Politikwissenschaft? Mit dem abschließenden Aufruf zur weiteren Diskussion und Fruchtbarmachung von Eberls Thesen stellt dieser Beitrag die Brücke zwischen Eberls Schrift, den zahlreichen Überlegungen des Buchforums und der zukünftigen Diskussion über die notwendige Dekolonisierung des politischen Denkens dar.

Nele Eisbrenner studiert im Master Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihren Bachelorabschluss in Politikwissenschaft und Soziologie erwarb sie 2019 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Ihr Studienaufenthalt in Kanada von 2017-2018 prägte maßgeblich ihr Interesse an postkolonialen, herrschaftskritischen Ansätzen.


Einleitung

In „Naturzustand und Barbarei“ diskutiert Oliver Eberl anschaulich, inwiefern die beiden titelgebenden Begriffe nicht nur inhaltlich miteinander verwoben sind, sondern auch durch ihre ideengeschichtliche Entstehung und Einordnung in Komplizenschaft mit den europäischen Kolonialismen[1] stehen. Diese seien, besonders prägend seit dem 17. Jahrhundert durch die Staatstheorien von Hobbes, Locke und Rousseau, sowie später durch die Epoche der Aufklärung, repräsentiert durch ihren bekanntesten Vertreter Kant, stabil und zentral in der politischen Theorie und Philosophie verwurzelt. Eberl rekonstruiert in seinem Buch, wie die beiden Begriffe dazu dienten, koloniale Praktiken, wie Landnahme, Sklaverei und Genozid, ideologisch und juristisch zu legitimieren. Die kontinuierliche, teils unkritische Verwendung der Konzepte mache sie bis heute zu einem häufig gebrauchten Stigma in gesellschaftspolitischen Debatten über Gewalt, während zugleich ihre kolonialen Wurzeln gefestigt und verschleiert werden. Dieser Beitrag fragt danach, welche Funktion die Dekonstruktion beider Konzepte in der Dekolonisierung politischer Theorie einnehmen kann und welches Potential dies für weitreichendere, aktuelle Diskurse über institutionalisierte Gewalt birgt.

 

Zu den Begriffen “Barbar/ei” und “Naturzustand”

Die Entstehung des Barbareidiskurses verfolgt Eberl bis ins 16. Jahrhundert, wo dieser zwei wesentliche Prozesse in Gang setzte: die Subjektivierung europäischer Identitäten einerseits, und die Konstruktion des/der „Anderen“ andererseits. Dabei unterstreicht Eberl deutlich, dass die Bezeichnung als „Barbar/ei“ immer die Funktion der Abwertung habe. Die Begriffskonstruktion diene also seit jeher als semantischer Unterscheidungsmechanismus eines konstituierten „Wir“, welches sich von einem außenstehenden „Anderen“ abzugrenzen sucht. Empirische Vorlage waren die Menschen und Gemeinschaften in den kolonialisierten Regionen, deren Lebensrealitäten aus europäischer Perspektive unter dem Paradigma des „Mangels“ definiert wurden: Mangel an Staatlichkeit, Zivilisation und Kultur. In Rückkopplung daran, so Eberls These, konnte sich ein europäisches Selbstverständnis der Überlegenheit etablieren, welches die identitäre Grundlage für die Staatsgründungen lieferte.

Trotz der inhärenten kolonialen Verwobenheit des „Barbarei“-Begriffs stelle dieser über Jahrhunderte hinweg eine theoretische wie auch praktische Konstante öffentlicher Diskurse dar. Eine Umdeutung erfuhr der Begriff im 20. Jahrhundert, wo er in kritischer Reflexion der beiden Weltkriege nicht mehr zur Bezeichnung „der Anderen“ oder eines kollektiven Außen genutzt wurde, sondern sich nach innen richtete, gegen etwas „barbarisches“ innerhalb der „zivilisierten“ Gesellschaften. Seitdem könne „Barbarei“ sowohl als wesentlicher Bestandteil als auch als Rückentwicklung nationalstaatlich organisierter Gesellschaften interpretiert werden. Beide Interpretationen sind Eberl zufolge problematisch, da sie weder den Kern des beschriebenen Phänomens oder historischen Ereignisses zu fassen bekommen, nämlich dessen unfassbare Gewaltsamkeit, wie im Kapitel zum Nationalsozialismus eingehend ausgeführt, noch ein Bewusstsein über die koloniale Vergangenheit des Begriffs widerspiegeln. Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Letzterem habe in der Theoriebildung nicht oder kaum stattgefunden, so Eberl.

Ähnlich verhalte es sich mit dem Konzept des „Naturzustandes“. Geprägt durch die Staatstheorien von Hobbes, Locke und Rousseau, erhielt das Konzept Einzug in die geistes- und sozialwissenschaftliche Analyse von Staat und Gesellschaft. Deren prominente Platzierung kann mensch beispielsweise durch einen Blick in die Grundlagen des Politikstudiums an verschiedenen Universitäten nachvollziehen. Der Naturzustand gilt seit dem Wirken Hobbes’ als das idealtypische Gegenmodell zum Staat und auch Locke und Rousseau führten die Vorstellung eines Naturzustands als Ausgangspunkt für die Staatsgründung weiter. Bemerkenswert ist hierbei, wie stabil sich das Narrativ und die koloniale Perspektive auf den Nicht-Staat in sämtlichen politisch-philosophischen Theorien hält, während deren zugrundeliegenden Paradigmen kaum ausreichend in Frage gestellt wurden.

Ferner versteht Eberl den Naturzustand als komplementäres Konzept zum „Barbarei“-Begriff. Während Ersterer sich auf die politische Ordnung beziehe, sei Letzterer auf Menschen, Gruppen, Handlungen, Lebens- oder Verhaltensweisen anwendbar. Beide dienen gleichermaßen zur Degradierung der als “anders“ markierten Lebensverhältnisse und zugleich als Aufwertung der eigenen. Zum einen benötige der Staat also das Konzept des Naturzustandes als theoretisches Gegenstück, um seine eigene Existenz zu rechtfertigen. Zum anderen konstatieren und inszenieren europäische Gesellschaften, und später auch die Siedler:innen,  mithilfe des „Barbar/ei“-Topos ihre Kultiviertheit und Zivilisiertheit.  Es sind diese Dichotomien – Staat vs. Nicht-Staat, Barbarei vs. Kultur und Zivilisation –, die den Prozess der Staatenbildung nicht nur auf ein fragwürdiges ideologisches Fundament stellen, sondern zugleich die fundamentale und unwiderrufliche  koloniale Gewaltsamkeit in Mitten des Staates hervorheben. Im Umkehrschluss bedeutet das für die analytische Betrachtung des Staates, dass dieser von der „kolonial geprägten Sichtweise auf die Kolonisierten und den nichtstaatlichen Zustand befreit werden“ müsse.[2]

 

Einordnung des Werks

Leitendes Motiv und Ziel Eberls ist die Dekolonialisierung der politischen Theorie und Philosophie (vgl. bspw. S. 30). Die Dekonstruktion der beiden Konzepte „Naturzustand“ und „Barbar/ei“, das Entschlüsseln ihrer kolonialen Genealogie und das Anprangern ihrer andauernden Komplizenschaft mit Macht- und Herrschaftsverhältnissen, stellen einen Startpunkt dieses Vorhabens dar. Das Ergebnis Eberls Untersuchung ist, dass die politische Theorie ohne die beiden diskutierten Begriffe und die dahinterliegenden Konzepte und Sichtweisen auskommen müsse. Anders ausgedrückt: „Ein Verzicht auf den Ausdruck ‘Barbarei’ erscheint ohnehin schon lange als nachholende semantische Dekolonisierung angebracht […]“ (S. 513). Der Beweis dieser These ist Eberl gelungen. Nach der Lektüre des Buches mutet es schwierig, wenn nicht sogar ignorant an, weiterhin an den Konzepten „Barbar/ei“ und „Naturzustand“ festzuhalten. Ferner legt Eberls Dekonstruktion der beiden politikwissenschaftlichen Paradigmen die Rolle der kolonialen Gewalt inmitten des „modernen“ Staates offen und schafft damit eine theoretische Grundlage, an die eine kritische Untersuchung staatlicher Institutionen, wie Polizei und Militär, anknüpfen kann. Auch wenn der Autor dieses Projekt in seinem Buch nicht debattiert, ist es in Anbetracht der Aktualität dringend notwendig, diesen Übersetzungsschritt nach der Lektüre mitzudenken und zu verfolgen. Aus dieser Perspektive leistet Eberl einen wichtigen und notwendigen Beitrag zur postkolonial informierten Selbstkritik wissenschaftlicher Disziplinen, in diesem Fall der Politikwissenschaft.[3] Damit bettet sich sein Buch in den langwierigen Prozess der Dekolonialisierung von Wissens(re)produktionen ein.

Konstruktiv weitergedacht könnten Kapitel des Buches Grundlagentexte in den Einführungsveranstaltungen zur politischen Theorie und Philosophie in Bildungseinrichtungen sein. Denn die Debatte um die Frage, ob und inwiefern es gerechtfertigt ist, primär weiße, männliche Europäer, aka „die Klassiker“, zu lesen und zu diskutieren, wird uns noch länger beschäftigen. Eberls Thesen können hierbei eine wichtige Kurskorrektur darstellen, die es Schüler:innen und Studierenden ermöglicht, von Anfang an eine kritischere Perspektive auf die Sozial- und Geisteswissenschaften, ihre Methoden und die von ihnen vermittelnden Inhalte zu entwickeln. Dann würde sich unter anderem auch zu erkennen geben, dass es nicht „die“ Ideengeschichte gibt, sondern verschiedene Erzählweisen über Gegenwart und Geschichte. Gleichwohl ersetzt das nicht die Notwendigkeit der Diskussion, wie eine grundlegende Überarbeitung der Bildungs- und Lehrpläne aussehen kann, wie es beispielsweise die Petition zur „rassismuskritischen Lehre an Schulen“[4] nahelegt. Denn die Dekolonialisierung des Bildungsapparates, von den Lehrplänen bis hin zu den institutionellen Strukturen, darf nicht Aufgabe einzelner Disziplinen oder Subjekte sein, sondern muss als gesamtgesellschaftliche Anstrengung verstanden werden.

 

Exkurs: Gewaltsamkeit des Staates aus heutiger Perspektive

Eberls Schlussthese, der Staat sei „jene Institution, die von Beginn an als Gewalt besteht und stets droht, diese zu missbrauchen“ (S. 513) sticht vor dem Hintergrund aktueller Medienberichte hervor. Jene Erkenntnis, die in der politischen Theorie fast schon als ‚Binse‘ anmutet, legt in der Praxis aber verheerende Auswirkungen offen, wie historische und zeitgenössische Diskurse über rassistische, sexistische und nationalistische Strukturen innerhalb staatlicher Institutionen, wie der Polizei und dem Militär, wiederholt verdeutlichen. So erklärt etwa Vanessa E. Thompson in ihrem Vortrag „Intersektionale Kritik der Polizei. Racial Profiling und abolitionistische Alternativen“, dass für einige Menschen und Gruppen Polizeigewalt eine permanente Bedrohung darstelle.[5] Das gilt vor allem für jene, die in besonderem Maße von Diskriminierungs- und Unterdrückungsmechanismen sowie deren Wechselwirkungen betroffen sind. Diese Mechanismen orientieren sich entlang bestimmter Differenzkategorien, wie Geschlecht, Sexualität, Herkunft, Race, Klasse, und weitere. Sie bilden die Basis für verallgemeinernde, unreflektierte Identitätskonstruktionen und (neo-)koloniale Stereotype, die sich mitunter in Methoden und Strategien der Polizeiarbeit, des „Policing“, widerspiegeln. Exemplarisch dafür ist das sogenannte „Racial Profiling“, welches auch Gegenstand der kontrovers geführten Debatte zu Polizeigewalt und strukturellem Rassismus in staatlichen Institutionen in Deutschland ist. Der Begriff „Gewalt“ umfasst in diesem Kontext ein breit gefasstes Selbstverständnis, das sowohl personale Gewalt (physisch, psychisch und emotional), als auch strukturelle und symbolische Gewalt einschließt.

Das Ende von Eberls Buch, welches sich fast wie der Beginn der eigentlichen Auseinandersetzung liest, eröffnet also einen Ausgangspunkt für eine weitreichendere Debatte. Dort schreibt der Autor eine Kritik am Staat müsse den Kolonialismus stets mitdenken (vgl. S. 504). Es liegt nahe, dass nicht nur das abstrakte Konstrukt des Staates mit seinem Gegenmodell des Nicht-Staates, sondern auch die einzelnen staatlichen Institutionen koloniale Spuren und Kontinuitäten aufweisen, die sich langwierig und hartnäckig halten. Daran schließen Thompsons Gedanken an. Ihr zufolge seien „Racial Profiling und rassifizierende staatliche Sicherheitsregime in ihrer historischen Kontinuität zu betrachten, um die Kolonialität der Polizei, auch vor dem Hintergrund ihrer historischen Brüche, analysieren und kritisieren zu können“.[6] Die hier aufgegriffene These lautet, dass die Polizei als exekutive Staatsgewalt strukturelle Spuren der Kolonialzeit in sich trägt.

Zu den zunehmend medial präsenten[7] Vorfällen von Polizeigewalt gegen Black, Indigenous and People of Color (BIPoC) zählen unter anderem die Ermordungen von George Floyd in den USA 2020 und Christy Schwundeck in Deutschland 2011 oder die Verhaftungen der Aktivist:innen im Unist’ot’en Camps und Gidimt’en Checkpoint 2019 in Kanada. Kontrastierend dazu verweist Thompson auf einen Verstoß gegen den „Gesellschaftsvertrag“, welcher der Polizei eine schützende, sichernde und helfende Rolle und Funktion zuschreibt. Thompsons These schließt an Eberls theoretischen Überlegungen an: Die inhärente Gewalt des Staates ist nicht nur semantisch oder politiktheoretisch zu begründen. Sie zeigt sich ebenso in struktureller, symbolischer, psychisch-emotionaler Weise gegenüber jenen, die laut „Gesellschaftsvertrag“ eigentlich durch eben diese geschützt werden sollten. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer fasst diesen Widerspruch pointiert zusammen und verweist auf die Tragweite der Auseinandersetzungen: Probleme mit der Polizei als Staatsgewalt seien ein Problem der Demokratie.[8]

Der thematische Rückgriff auf den „Gesellschaftsvertrag“ ist deshalb interessant, weil dieser Gegenstand in den von Eberl diskutierten Theorien ist und damit den roten Faden einer streitbaren politisch-philosophischen Tradition hervorhebt. Denn der gesellschaftliche Vertrag legt letzten Endes den Ursprung der Staatsgründung und den Kern des „modernen“ Staates offen: den Kolonialismus. Ferner stellt er die „demokratische Urfrage“ nach der Legitimation des Staates. Wir alle müssen uns unter Bezugnahme der hier diskutierten Forschungsergebnisse und unserer globalisierten Lebensverhältnisse zur Pflicht machen, diese Frage immer wieder aufs Neue zu stellen und gemeinsam kontrovers zu debattieren.

 

Dekolonisierung weiterdenken – ein Ausblick

Das Kapitel „Kolonialismus als Menschheitsverbrechen“ liest sich wie der Höhepunkt des Spannungsbogens des Buches. Nach Eberls Schlussfolgerung, die europäischen Kolonialismen in Anbetracht von Genozid, Sklaverei, Landraub sowie dem Verlust unzähliger Kulturen und Traditionen konsequenterweise als Verbrechen gegen die Menschheit zu deklarieren, bleiben einige Fragen offen: Welchen Einfluss hat diese gerechtfertigte und viel zu späte juristische Einordnung für Debatten um Reparationen, Raubkunst, Entwicklungszusammenarbeit,[9] sogenannte „failed states“, humanitäre und militärische Interventionen, sowie weitere thematisch angrenzende Auseinandersetzungen? Das Zusammenführen der abschließenden Thesen, dass einerseits der Staat inhärent gewaltsam ist und koloniale Kontinuitäten aufweist, und andererseits der Kolonialismus als Menschheitsverbrechen gilt, formt das Bild eines „modernen“ Staates, der nach wie vor Elemente kolonialer Gewalt in sich trägt. Stellt diese Erkenntnis nicht sämtliche Grundfeste in Frage, auf denen das moderne Europa, explizit die Europäische Union, aufbaut? Was bedeuten Eberls Forschungsergebnisse für die Legitimation der Nationalstaaten und das Verhältnis von Europa zum Rest der Welt heute? Wo findet Demokratie in diesem Theorie-Gefecht ihren neuen Platz? Leider steigt das letzte Kapitel an dieser Stelle nicht in eine tiefere Debatte ein. Eberl entlässt die Lesenden zwar mit der sehr pointierten und klaren Forderung, den Blick der politischen Theorie auf den Staat zu dekolonisieren. Dennoch steht die zentrale Frage undiskutiert im Raum, wie die Staaten und insbesondere die Siedlungsstaaten nun ihre Legitimation neu begründen können. Vielmehr drängt sich die kritische, wenn auch streitbare Nachfrage auf, ob das zugunsten einer konsequenten Dekolonisierung überhaupt möglich ist.

Welchen Stellenwert Eberls Buch im komplexen und vielschichtigen Vorhaben einer Dekolonisierung politischer Theorie und Philosophie letzten Endes einnimmt, hängt folglich von der Beantwortung der Frage ab, ob der Autor und mit ihm die gesamte Disziplin bereit ist, den Finger tiefer in die Wunde zu legen. So bietet das Buch die Möglichkeit einer Fortsetzung, die Schlüsse aus der theoretischen Konfrontation mit dem kolonialen Erbe wissenschaftlicher Disziplinen zieht und nicht davor zurückschreckt, ein Fass zu öffnen, das im Grunde nie hätte hergestellt werden dürfen. Ferner können die hier rezensierten Kapitel Ausgangspunkte einer breiten, öffentlichen Debatte über staatliche Gewalt und Legitimation darstellen, die aber nur geführt werden kann, wenn Akteur:innen aus Bildung, Politik und Gesellschaft die diskutierten Thesen und Impulse aufgreifen und weiterdenken.


[1]      Zur Überlegung von „Kolonialismus“ im Plural zu sprechen, um die unterschiedlichen historischen Kontexte und Entwicklungen zu berücksichtigen, siehe beispielsweise: Conrad, Sebastian (2012): Kolonialismus und Postkolonialismus. Schlüsselbegriffe der aktuellen Debatte. In: bpb (Hrsg): Aus Politik und Zeitgeschichte. Kolonialismus, Jg. 62, Nr. 44-45, S. 3-9.

[2] Eberl, Oliver (2021): „Naturzustand und Barbarei – Begründung und Kritik staatlicher Ordnung im Zeichen des Kolonialismus“, Hamburg: Hamburger Edition, S. 513; Zitate im Folgenden in Klammern im Text.

[3]      Zur postkolonial-informierten Selbstkritik der politischen Theorie siehe auch: Falk (2011); Franzki, Hannah/Kwesi Aikins, Joschua (2010); Reuter, Julia/Karentzos, Alexandra (2012); Eva Mackey (2014); Aram Ziai (2010, 2012)

[4]      Siehe Petition #BlackHistoryinDeutschland: Rassismuskritische Lehre an Schulen, online verfügbar unter: https://blackhistoryindeutschland-change.org/

[5] Thompson, Vanessa E. (2020): Intersektionale Kritik der Polizei. Racial Profiling und abolitionistische Alternativen. Online verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=3cLLyIyNUR4, zuletzt aufgerufen am 22.04.2021.

[6] El-Tayeb, Fatima/Thompson, Vanessa Eileen (2019): Alltagsrassismus, staatliche Gewalt und koloniale Tradition. Ein Gespräch über Racial Profiling und intersektionale Widerstände in Europa. In: Wa Baile, Mohamed/Dankwa, Serena O./Naguib, Tarek/Purtschert, Patricia /Schilliger, Sarah (Hrsg.): Racial Profiling. Struktureller Rassismus und antirassistischer Widerstand.Bielefeld: transcript Verlag, S. 311-328., S. 316.

[7]      „Zunehmend medial präsent“ soll darauf hinweisen, dass es solche Gewaltausschreitungen schon lange gab, im Grunde genommen seit der Begründung der Staaten und ihrer Gewalten. Erst seit vergleichsweise wenigen Jahren erhalten diese Vorfälle (mehr) mediale Aufmerksamkeit.

[8] Vgl. Deutschland Funk Nova (2021): Rechte Netzwerke – Rechtsextremismus bei der Polizei gab es schon seit der Weimarer Republick. Online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/rechtsextremismus-verdachtsfall-polizei-von-der-weimarer-republik-bis-heute, zuletzt aufgerufen am 19.04.2021.

[9]      Zur postkolonialen Kritik am Begriff und Konzept der „Entwicklung“ siehe: Ziai, Aram (2010): Postkoloniale Perspektiven auf „Entwicklung“. In: Peripherie, Jg. 30, Nr. 120, S. 399-426.


Hier geht es zum einführenden Beitrag des Buchforums: BUCHFORUM Naturzustand und Barbarei – Ankündigung und Vorbemerkungen

und hier zum letzten Beitrag: Robin Koss: Aufräumen im Wissensarchiv. Oliver Eberls Beitrag zur Dekolonisierung der politischen Theorie (BUCHFORUM Naturzustand und Barbarei #5)

Die Replik von Oliver Eberl erscheint zeitnah.

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