Patrick Samtlebe über Ralf Bambach, Der französische Frühsozialismus (1984)

Ralf Bambach studierte Sozialwissenschaften in Hamburg und Paris. Er spezialisierte sich auf Politikwissenschaft und die Geschichte der Philosophie und des öffentlichen Rechts. Seit den 1980er Jahren engagiert sich Bambach in der politischen Erwachsenenbildung und Beratung im Bereich der Sicherheitspolitik. Seine Promotion von 1984 lieferte einen systematischen Einblick in die Zeit des französischen Frühsozialismus.

Patrick Samtlebe studierte Politikwissenschaft in Hamburg und ist seit 2017 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Heisenberg-Professur Geschichte und Theorie politischen Denkens. Seine nachfolgende Rezension zur Promotion von Ralf Bambach steht der Sorgfalt und Genauigkeit der Schrift in nichts nach.


Bereits der Titel von Ralf Bambachs 1981 angenommener, 1984 im Westdeutschen Verlag publizierter Dissertation Der französische Frühsozialismus verweist in seiner Allgemeinheit auf einen Untersuchungsumfang und -anspruch, an den sich Promotionsvorhaben nur in seltenen Fällen heranwagen. In der Tat beabsichtigt Bambach, das Programm der Denkbewegung ‚französischer Frühsozialismus‘ umfassend zu rekonstruieren, einzuordnen und historisch zu beurteilen. Es geht ihm darum, „[d]as, was französischer Frühsozialismus war […], zu erkennen“ (S. 1). Dies wiederum sei „nur aus einer Perspektive“ zu leisten, die sich aus dem frühsozialistischen Denken „selbst nicht gewinnen läßt, aus derjenigen sozialistischer Theorie nämlich. Sie macht ihn über einen einheitlichen Fragekatalog als einen theoretischen Kontext […] durchsichtig“ (ebd.).[1] Der Frühsozialismus wird also aus dem Blickwinkel des, wenn man so will, vollentwickelten Sozialismus von beziehungsweise seit Marx interpretiert, weil erst dieser die analytischen Mittel bereithält, jenen in seinem historischen Rahmen zu begreifen.

Die Hamburger Politikwissenschaft der späten 1970er- und -80er-Jahre bot solchen Vorhaben kein ungünstiges Umfeld. Udo Bermbach betreute das Dissertationsprojekt als Erstgutachter; das Vorhaben selbst geht zurück auf ein Seminar über Frühsozialismus, das Günter Trautmann – später Zweitgutachter – im Wintersemester 1973/74 veranstaltet hatte (S. 2). Einen Eindruck davon, wie verbreitet marxistische Ansätze zumindest in Teilen der Gesellschaftswissenschaften einmal waren, vermeint man aber auch durch die Studie selbst vermittelt zu bekommen. Sie setzt erkennbar eine LeserInnenschaft voraus, die mit dem marxistischen Argumentationszusammenhang (und Jargon) hinreichend eng vertraut ist – und der gegenüber diese Perspektive selbst eigentlich nicht mehr ausführlich begründet werden muss. Bemerkenswert ist hier besonders das Vorwort, in dem auf knapp anderthalb Seiten Forschungsperspektive, Vorgehen, Gegenstandsauswahl und Hauptthesen einführt und diskutiert werden – wobei eben am auffälligsten ist, wie viel dem Autor gerade nicht systematisch begründungspflichtig zu sein scheint. Ob und inwiefern der historische Materialismus etwa, gerade im Vergleich zu analytischen Alternativen, ein besonders geeignetes ideenhistoriographisches Mittel darstellt, oder ob es methodisch nicht problematisch sein könnte, den Sozialismus seine eigene (Vor-)Geschichte schreiben zu lassen – solche Fragen werden nicht thematisiert.

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Innerhalb des französischen Frühsozialismus unterscheidet Bambach vier Teilströmungen: Babouvismus, Saint-Simonismus, Fourierismus und Kommunismus, die in jedem der vier Hauptteile der Studie in dieser, i. W. chronologischen Reihenfolge behandelt werden. ‚Kommunismus‘ meint dabei die Positionen von Louis Blanc, Étienne Cabet, Théodore Dezamy und Constantin Pecqueur. Einzig im Fall des Saint-Simonismus wird das Denken des maître Claude-Henri de Saint-Simon getrennt von dem seiner ‚Schule‘ (den Saint-Simonisten) behandelt. Das auffällige Fehlen von Pierre-Joseph Proudhon wird – in unmissverständlicher Klarheit – damit begründet, dass dieser „trotz wieselwortiger Scheinradikalität das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht in Frage gestellt“ habe (S. 2).

Noch eine weitere wichtige Vorentscheidung verbindet sich mit dieser Gegenstandsauswahl: das Ausklammern des prärevolutionären 18. Jahrhunderts. Einzelne französische Aufklärer – etwa der Abbé Mably – sind, besonders wenn sie der Idee des Gemeineigentums eine zentrale Rolle einräumten, immer wieder auch als Früh-, Proto- oder utopische Sozialisten eingeordnet worden.[2] Bambach hingegen beginnt mit François Noël ‚Gracchus‘ Babeuf (1760–97), der als erster versuchte, die Idee einer gemeineigentumsbasierten Gesellschaft, wie sie in solchen Perspektiven theoretisch formuliert worden war, praktisch zu realisieren (S. 4). Weder Jakobiner noch Sansculotten waren im Lauf der Revolution so weit gegangen (vgl. S. 75 f.). Babeuf war damit der erste Sozialrevolutionär modernen Typs (S. 4). Der Babouvismus markiert den Übergang vom aufklärerischen Utopismus zum revolutionären Frühsozialismus.

Bambach lässt den Frühsozialismus in Frankreich also in der Mitte des Revolutionsjahrzehnts beginnen.[3] Der Grund hierfür liegt in der 1789 ff. durchgesetzten „revolutionären Institutionalisierung eines der kapitalistischen Produktionsweise komplementären politisch-administrativen Systems“ (S. 1). Die hiermit entstehende historische Verknüpfung von Kapitalismus und bürgerlichem Staat bildet das Kernelement des „Konstitutions- und Aktionszusammenhangs“, der die Herausbildung frühsozialistischen Denkens ermöglicht und bedingt (ebd.). Dieser Zusammenhang erfährt wiederum eine signifikante Transformation, als es mit der Pariser Junierhebung von 1848 zu einer ersten großen Auseinandersetzung zwischen Proletariat und Bürgertum kommt (ebd.). Damit endet auch die Phase des französischen Frühsozialismus. Er kann mithin als der kritisch-theoretische Ausdruck einer Periode begriffen werden, in der einerseits die ökonomischen und politisch-institutionellen Entstehungsbedingungen sozialistischen Denkens in ihren Grundelementen bereits vorliegen: der bürgerliche Staat und eine sich ausformende kapitalistische Ökonomie. Der untersuchte Zeitraum kennt andererseits, gerade weil die kapitalistische Gesellschaft sich erst entfaltet, noch nicht die entscheidende Konfliktdimension dieser Gesellschaftsformation: den (manifesten) Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Frühsozialismus ist mithin „das dialektisch andere des sich zur sozio-politischen Dominanz entwickelnden determinierenden Kapitalismus“ (ebd.).

Die Konstitutionsbedingungen politischer Ideen sind also sozialgeschichtlicher Natur, und weil das gute halbe Jahrhundert zwischen den Revolutionen von 1789 und 1848 in dieser Hinsicht eine Zwischenphase darstellt, erweist sich ein charakteristisches ‚Dazwischen‘ immer wieder als ein Kernmerkmal des französischen Frühsozialismus. Bambach geht es denn auch explizit darum, gerade „das widersprüchliche Verhältnis von Gesellschaftsentwicklung und Theoriebildung eben durch die Brüche und Verwerfungen hindurch systematisch zu bestimmen“ (S. 2). Dabei lässt sich eine Haupterkenntnis seiner Arbeit darin sehen, dass die historischen Bedingungen, die den französischen Frühsozialismus ermöglichten, auch sein Scheitern mitbedingt haben. Teils gelang es ihm nicht, das bürgerliche Denken entschieden zu überwinden, teils fehlte (noch) ein historisches Subjekt, welches die Umsetzung der Theorie in Praxis getragen hätte.

Ein gutes Beispiel liefert das Verhältnis des französischen Frühsozialismus zum Naturrechtsdenken. Er sei als „naturrechtliche[r] Sozialismus“ (S. 432, Anm. 1) beschreibbar, insofern er Kritik und Analyse wesentlich auf naturrechtliche bzw. -gesetzliche Argumente gründe: „gültige Aussagen über seine Zeit kann er sich nur als in zeitloser Gültigkeit fundiert, als ‚Natur‘ und ‚Prinzip‘ vorstellen“ (S. 33). Die politische Sprache des neuzeitlichen Naturrechtsdenkens wird von den Frühsozialisten gegen die bürgerliche Gesellschaft gewendet. Weil und insofern diese den naturrechtlich abgeleiteten Kriterien nicht entspricht, ist ihre Umformung gerechtfertigt und geboten (S. 34). In der Theorie Babeufs etwa verfährt die Relativierung des bürgerlichen Eigentumsrechtsverständnisses gerade über das Starkmachen eines weiteren Naturrechts, nämlich des Rechts zu leben (S. 82).[4] Sogar kontraktualistische Argumente findet man bei ihm, denn er fordert, die vergessene „naturrechtliche Prinzipienbasis des Sozialvertrags“ zu reaktualisieren (S. 35). Doch dieser naturrechtliche Charakter verleiht dem frühsozialistischen Denken zugleich ein ahistorisches Moment. Weil die kritische Perspektive universalistisch fundiert und damit selbst der Geschichtlichkeit enthoben ist, kann die Theorie „sich nicht selber auf ihre historischen Konstitutionsbedingungen hin durchsichtig machen“ (S. 33 f.).

Gesellschaftliche Entwicklung begreifen die Frühsozialisten zudem als naturgesetzliche. In der Perspektive Saint-Simons wird der soziale Zusammenhang wie Natur behandelt und dadurch berechenbar. Damit jedoch wird Geschichte zu Naturgeschichte – und somit letztlich unveränderbar (S. 39). Weder Saint-Simon noch den Saint-Simonisten, Fourieristen oder Kommunisten nach ihm gelang es, ein dialektisch-materialistisches Geschichtsverständnis zu entwickeln. Wie problematisch das Vertrauen in die Möglichkeit einer Neuordnung von Gesellschaft auf Basis rational erkennbarer Naturgesetze und -prinzipien im Übrigen werden kann, zeigt sich an dem ‚technokratischen‘ Zug vieler Frühsozialismen. Für Fourier etwa bedürfte eine künftige, in diesem Sinn rational geordnete Gesellschaft bloß noch der Verwaltung, deren Aufgabe einzig darin bestünde „den natürlichen Gesetzeskorpus zu ‚entdecken‘ und ihm Gestaltungskraft zu verleihen“ (S. 333). Die sozialistische Gesellschaft wäre vollständig entpolitisiert.[5]

Auch das Verhältnis der Frühsozialismen zu dem sozioökonomischen Umfeld, in dem sie entstehen, ist spannungsgeladen. Illustrativ ist die Haltung der Babouvisten zur großformatigen industriellen Produktion. Zwar stehe Babeuf „bereits jenseits einer bloß reaktionären Handwerkerposition“, welche Maschinerie an sich verdammt; er registriert demgegenüber die emanzipatorischen Potenziale der Technologie (S. 73). Weil er aber gleichzeitig „manufakturielle Großproduktion schlechthin mit der Erzeugung von überflüssigem Luxus identifiziert“, fordert er die Zerschlagung von Großbetrieben und optiert für ein dezentrales Netz kleiner Betriebe, die ausschließlich „Einfachstgüter“ herstellen sollen (ebd.). Ganz allgemein stehen die ökonomischen Vorstellungen der Babouvisten – „Gleichgewicht auf frugalem Niveau“ oder „gleiches und honettes Mittelmaß“ (S. 73 f.) – republikanischen politökonomischen Ideen des 18. Jhs. in mancher Hinsicht näher als späteren sozialistischen Entwürfen.[6]

Das Denken Saint-Simons ist ebenfalls eng mit den zeitgenössischen gesellschaftlichen Verhältnissen und Spannungen verwoben. Saint-Simon lässt sich als postrevolutionärer Denker begreifen, dem es primär um die endgültige Überwindung des Ancien Régime ging (S. 100).[7] Entsprechend sah er den zentralen gesellschaftlichen Antagonismus nicht im Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie, sondern in dem von feudalen und bürgerlichen Klassen (S. 108). Als politisches Projekt verfolgte sein ‚System der Industrie‘ in diesem Sinn das Ziel, die Ansprüche der produktiven ‚industriellen‘ Klassen gegenüber denjenigen der unproduktiven (feudalen) Klassen zu legitimieren (S. 130).[8] Die Perspektive einer Emanzipation der Arbeiterklasse bleibt jedoch außen vor (S. 143). So ist sein Programm am Ende eher ‚hyperbürgerlich‘ denn sozialistisch, und entsprechend sei Saint-Simon eigentlich nicht einmal als ‚Präsozialist‘ einzuordnen (ebd.). Erst seine Anhänger, die Saint-Simonisten, wandten sich dezidiert gegen den Kapitalismus (S. 150). Da ihr Gegenmodell das Privateigentum an Produktionsmitteln jedoch lediglich zu beschränken, nicht aber abzuschaffen vorsah, gelang auch ihnen keine radikale Kritik der kapitalistischen Gesellschaftsformation (S. 173).

Dies gelang erst dem ab den späten 1830er Jahren auf den Plan tretenden frühen Kommunismus (S. 238). Im Verbund mit dem Prinzip ‚jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen‘ avisierte er die Aufhebung der privateigentumsbasierten zugunsten einer gütergemeinschaftlich organisierten Ökonomie (S. 235). Mit allen anderen Frühsozialismen teilt der Kommunismus jedoch das Problem, dass er sich die künftige Gesellschaft nur als staatlich überbaute denken kann. Zwar sei einerseits „zumindest die Aufhebung der Klassenunterdrückung“ das Ziel aller französischen Frühsozialisten; andererseits jedoch „war ihnen die staatliche Verfaßtheit der von ihnen jeweils projektierten künftigen Gesellschaft gewiß“ (S. 271). Von der Kritik an der kapitalistischen Wirtschaftsform dringen sie also nicht zur Kritik der ihr komplementären Form politischer Herrschaft vor. Der französische Frühsozialismus bleibt staatszentriert.

Ein Problem, das vielleicht in besonderem Maße zum ‚Scheitern‘ der frühsozialistischen Projekte beigetragen hat, war das Fehlen eines sozialen Subjekts, das die erfolgreiche Umsetzung der Theorie in politische Praxis hätte tragen können (S. 355) – oder, anders gewendet, die Unfähigkeit der Frühsozialisten, ein solches zu bestimmen. Babeuf zum Beispiel hatte ganz unspezifisch „die ‚Unglücklichen‘, die ‚24 Millionen Unterdrückter‘“ im Sinn (ebd.). Problemverschärfend bestand der LeserInnenkreis seiner Zeitschriften vor allem aus selbständigen Kleineigentümern. Dadurch hätten die Babouvisten sich letztlich in der Situation befunden, „daß selbst ihre potentiellen Mitstreiter ihre Zielvorstellungen [aufgrund ihrer Klassenlage/P. S.] keineswegs teilten“ (ebd.). Ganz folgerichtig blieb der Babouvismus in der zweiten Hälfte des Revolutionsjahrzehnts eine „Randerscheinung“, die „keine geschichtsangemessene Alternative zu den Brumairianern“ anbieten konnte (S. 355). Die übrigen Frühsozialismen waren in dieser Hinsicht nicht erfolgreicher.

Der französische Frühsozialismus hat es letzten Endes nicht vermocht, der entstehenden kapitalistischen Gesellschaftsformation als eine Alternative gegenüberzutreten, die ernsthafte Chancen gehabt hätte, sich historisch gegen diese durchzusetzen. An seinem Scheitern – das sich an dem zuletzt behandelten Theorie-Praxis-Problem bloß besonders deutlich zeigt – werde, so Bambachs abschließendes Urteil, gerade auch „jene Dialektik deutlich, nach der bestimmte historische Verhältnisse erst mit ihrer Entfaltung die sie progressiv überwindende Negation möglich werden lassen, zuvor nur solche, die so angemessen wie ohnmächtig ist“ (S. 409).

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Am analytisch stärksten ist Ralf Bambachs Studie sicherlich dort, wo sie in systematischer (und häufig beeindruckend detaillierter) Weise den Zusammenhang von frühsozialistischer Theoriebildung und gesellschaftsgeschichtlicher Entwicklung rekonstruiert. Das Spektrum der oft ausführlich aufgearbeiteten Themenfelder reicht von Dynamiken im Agrarsektor bis zu Entwicklungen im französischen Erbrecht. So liest sich die Arbeit streckenweise auch wie eine Sozialgeschichte Frankreichs zwischen 1789 und 1848. Sie vermittelt damit aber vor allem einen substantiellen Eindruck davon, in welchem Maß die französischen Frühsozialisten jeweils in die ganz konkreten, gleichzeitig mit langfristigen Umbruchsbewegungen verwobenen Debatten und Konflikte der französischen Gesellschaft verwickelt waren, und wie sehr ein adäquates Verständnis ihrer theoretischen Positionen die Kenntnis dieser Zusammenhänge voraussetzt.

Fraglich bleibt allerdings, ob die gewählte analytische Perspektive nicht auch Blindstellen produziert, die dem tendenziell zuwiderlaufen. Entscheidet man sich, wie Bambach es tut, die Geschichte des Früh- aus der Perspektive des entwickelten Sozialismus zu schreiben, drängt sich die Frage auf, ob damit nicht ein teleologischer Blickwinkel eingenommen wird, der die Eigenart frühsozialistischer Positionen zumindest teilweise beschneidet. Immer wieder anzutreffende Formulierungen, die ein theoretisches Scheitern auf dem Weg zum ‚vollwertigen‘ Sozialismus insinuieren, gehen zumindest in diese Richtung. Zum Geschichtsverständnis der Frühsozialisten liest man etwa – um nur ein Beispiel herauszugreifen –, dass Saint-Simon „die historische Dialektik nicht einfangen kann“ (S. 40) und die Saint-Simonisten „bei einem historisch-materialistischen Erklärungszusammenhang nicht an[kommen]“ (S. 42, vgl. S. 151), während Cabet dorthin nicht „gelangt“ (S. 51) und schließlich Pecqueur „die historische Dialektik des Konstitutionszusammenhangs von Theorie und Praxis ebenso verstellt [bleibt] wie allen anderen Frühsozialisten“ (S. 51). Ob das ‚nur‘ ein rhetorisches oder aber ein grundsätzlich konzeptionelles Problem des Bambachschen Ansatzes darstellt, muss an dieser Stelle offenbleiben. Dass eine historisch-materialistische Analyse zumindest nicht notwendig in problematische Teleologie münden muss, dafür spricht, dass die Ergebnisse von Bambachs metikulöser Rekonstruktion der politischen und sozialen Kontexte frühsozialistischer Theorieentwürfe viel eher nahelegen, diese in ihrer Eigenart zu begreifen denn als bloße Vorläufer von Marx und gescheiterte Versuche auf dem Weg zu einem ‚richtigen‘ Sozialismus.


[1] Sofern nicht anders angegeben, entstammen hervorgehobene Passagen dem Original. Dort unterstrichene Passagen sind hier kursiv wiedergegeben.

[2] Zum Spektrum der Einordnungen Mablys vgl. Thomas Schleich, Aufklärung und Revolution. Die Wirkungsgeschichte Gabriel Bonnot de Mablys in Frankreich (1740–1914). Stuttgart 1981 (bes. S. 16 f. u. Kap. 4).

[3] Babeuf hatte bereits in den 1780er Jahren gesellschaftskritische Positionen entwickelt. Erst die enttäuschende Erfahrung mit der Entwicklung nach dem Sturz Robespierres am 9. Thermidor II (27. Juli 1794) markierte jedoch die „Zäsur“, die ihn dazu brachte, offensiv für die Verwirklichung einer auf Gemeineigentum basierenden Gesellschaftsordnung zu streiten (S. 57 u. 94).

[4] Dass dies in der Tat keine frühsozialistische ‚Überwindung‘ von Denkmustern des 18. Jhs. darstellt, zeigt sich auch daran, dass die Mobilisierung eines droit à la subsistance gegen das droit de propriété eine verbreitete Argumentationsfigur war, auf die in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. von Aufklärern wie Mably bis zu Revolutionären wie Jacques Roux, Robespierre oder Saint-Just immer wieder zurückgegriffen worden ist. – Vgl. Florence Gauthier, De Mably à Robespierre. De la critique de l’économique à la critique du politique, 1775–1793, in: dies. u. Guy-Robert Ikni (Hg.): La guerre du blé au XVIIIe siècle. La critique populaire contre le libéralisme économique au XVIIIe siècle. Montreuil 1988, S. 111–144.

[5] Zum technokratischen Zug des Saint-Simonismus vgl. S. 162.

[6] Wie verbreitet solche Argumentationsfiguren in der Linie republikanischer Luxuskritik noch im 19. Jh. (auch im Frühsozialismus nach Babeuf) waren, zeigt Jeremy Jennings, The Debate about Luxury in Eighteenth- and Nineteenth-Century French Political Thought, in: Journal of the History of Ideas 68, 2007, S. 79–105 (s. bes. S. 99).

[7] Ein bedeutender Teil der Schaffensphase von Saint-Simon (1760–1825) fällt in die Zeit der Französischen Restauration (1814/15–1830), in der auf dem Boden einer konstitutionellen Monarchie heftig um die Ausrichtung von Staat und Gesellschaft gerungen wurde. In dieser Periode spielten die reaktionär-royalistischen ‚Ultras‘ eine bedeutende Rolle als gesellschaftlich wie – besonders zu Beginn der Restauration sowie erneut und verstärkt ab den 1820er Jahren – politisch einflussreiche Gegenkraft zu all jenen Gruppen, die dem Erbe der Revolution von 1789 affirmativ gegenüberstanden.

[8] ‚Industrie‘ umfasst hier als Sammelbegriff sämtliche Formen der Produktion. Gleichzeitig bringt der Begriff über die im 18. und frühen 19. Jh. verbreitete Bedeutung von ‚industrieux‘ als ‚tätig‘, ‚fleißig‘ oder ‚betriebsam‘ den Gegensatz zwischen produktiven und unproduktiven sozialen Gruppen zum Ausdruck (vgl. 109 f.).

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