Samuel Arndt & Luca Tielke: Wenn Versprechen mit der Realität kollidieren. Studentische Beschäftigte fordern bessere Arbeitsbedingungen (DOSSIER „STADT DER GUTEN ARBEIT“ #3)

Hamburg will eine Stadt der guten Arbeit sein. Und zwar für alle. Die derzeit über 4000 studentischen Beschäftigten sehen dieses Versprechen allerdings noch nicht erfüllt. Viele von ihnen fordern bessere Arbeitsbedingungen: höhere Löhne, längere Vertragslaufzeiten, Urlaubsansprüche und bezahlte Überstunden. Doch bisher kam ihnen die Stadt Hamburg als Arbeitgeberin noch nicht entgegen.


Nachdem ein Netzwerk von studentischen Beschäftigten in Berlin 2018 bereits eine dritte Erneuerung ihres Tarifvertrages mit dem Senat aushandeln konnte, schlossen sich deutschlandweit studentische Beschäftigte zu dem Netzwerk TVStud zusammen, um sich bundesweit für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Im letzten Jahr kam es dann in vielen Städten zu Protesten und Warnstreiks, prominent auch in Hamburg. Und siehe da – bei der Tarifrunde der Länder im letzten Jahr gab es ein erstes Zeichen des Entgegenkommens von Arbeitgeber:innenseite.

Was in Hamburg falsch läuft

Während einige studentische Beschäftigte als studierende Angestellte Teil des Tarifvertrages der Länder (TV-L) sind, gibt es eine Reihe anderer studentischer Beschäftigungsfelder, die vom TV-L ausgenommen sind. Dazu gehören studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte sowie studentische und akademische Tutor:innen. Mit zuletzt 10,91 Euro pro Stunde lag ihr Lohn weit unter dem von SPD und Grüne gegebenen Versprechen von 12 Euro nach Tarif. In Sachen Lohnsteigerung sind sie vom politischen Willen der Behörden abhängig. Hinzu kommt, dass viele studentische Beschäftigte nur sehr kurze Verträge haben. So sind zum Beispiel über 70 Prozent der studentischen Hilfskräfte nur zwischen zwei und sechs Monaten angestellt, wie eine Anfrage der Partei Die Linke an den Senat zeigt.

Diese Umstände erschweren den Studierenden eine sichere Zukunftsplanung und führt auch dazu, dass überproportional die Menschen eine studentische Beschäftigung annehmen, die es sich leisten können, was wiederum zu sozialer Selektion in der Wissenschaft führt. Außerdem ist die Repräsentation ein Problem: Anders als in Berlin und einigen anderen Bundesländern werden studentische Beschäftigte in Hamburg nicht vom Personalrat vertreten, was sie von der Interessenvertretung im Betrieb ausschließt. Eine eigene Vertretung ist nicht möglich. Auch besitzen sie weder ein aktives noch passives Wahlrecht bei Personalratswahlen. Mitbestimmungsrechte für Studentische Beschäftigte sind somit gar nicht vorhanden. Das bedeutet im Alltag oft ein starkes Abhängigkeitsverhältnis von der Arbeitgeber:in, und ein Protest könnte schnell den Job kosten.

Was in Berlin besser läuft

Anders sieht es aus in Berlin. 2018 einigten sich Berliner Hochschulen und Gewerkschaften auf den Tarifvertrag III. Dieser garantiert eine gestaffelte Lohnerhöhung pro Jahr bis 2022 auf 12,96 € und Zeitzuschläge bei Überstunden. Ab 2023 richtet sich das Stundenentgelt nach dem Tarifvertrag der Länder. Bis zu 30 Tage Urlaub im Jahr sowie eine volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bis zur zehnten Woche sind ebenfalls vertraglich garantiert. Aber auch diesem Erfolg des TVStud-Netzwerkes Berlin waren zähe Verhandlungen vorausgegangen, die 2017 sogar kurzzeitig scheiterten und zu den ersten Warnstreiks von studentischen Beschäftigten seit über 30 Jahren führten. Es braucht also viel Geduld und stetiges Engagement, um einen Tarifvertrag auszuhandeln.

Was hinter den Kulissen abläuft

Im letzten Jahr fand die Tarifrunde der Länder statt. Dabei einigten sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und die Gewerkschaften auf einen Tarifabschluss, der neben Tariferhöhungen für Tarifbeschäftigte auch eine Gesprächszusage über eine Bestandsaufnahme der Arbeitsbedingungen Studentischer Beschäftigter beinhaltet. Die Gesprächszusage bezog sich auf die Zeit nach den Redaktionsverhandlungen des TV-Ls. Nachdem diese kürzlich abgeschlossen wurden, sei laut TVStud damit zu rechnen, dass Spitzengespräche zwischen TdL und Gewerkschaften ab Herbst 2022 beginnen werden. Die Bestandsaufnahme hingegen hat in Form einer repräsentativen Erhebung bereits begonnen. Durchgeführt wurde die Umfrage vom Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen in Kooperation mit der bundesweiten Bewegung TVStud sowie den Gewerkschaften ver.di und GEW. Sie soll ein besseres Bild über die Arbeitsbedingungen der verschiedenen Fachbereiche und Bundesländer ermöglichen und konkrete Handlungsbedarfe sichtbar machen. Außerdem können die im Rahmen dieser Studie erhobenen Daten als Basis für die Gespräche mit den Ländern dienen.

Und was geschieht in naher Zukunft?

TVStud selbst ist sehr zuversichtlich, was einen Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte angeht. “Die Chancen auf eine Tarifierung Studentischer Beschäftigter standen noch nie so gut wie jetzt”, sagt zum Beispiel Laura Six von TVStud-Hamburg. Das Thema sei nun prominent auf den Agenden der Gewerkschaften und Hochschulen und das sogar bundesweit. Es gebe die Gesprächszusage; die Bestandsaufnahme läuft. Damit die Blockadehaltung der Arbeitgeber:innen weiter Risse bekommt, müsse jetzt weiter Druck auf sie ausgeübt werden, auch von der Straße aus. Aus Versprechungen sollen Taten folgen. Und so wird der rot-grüne Senat in Hamburg auch an seinem Versprechen gemessen werden, eine Stadt der guten Arbeit für alle sein zu wollen. Bisher kollidiert dieses Versprechen nämlich weiterhin mit der Realität.


Der letzte Beitrag über die Position der CDU zu einer Politik guter Arbeit erscheint morgen, am Donnerstag, den 27. Oktober von Carolin Gastberger.

Hier geht es zu den einleitenden Bemerkungen des Dossiers.

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