Die Politikwissenschaft an der Universität Hamburg ist heute im Allende-Platz 1 beheimatet – oder auch: „dem Pferdestall“. Im ersten Fundstück zur Gebäudegeschichte werden die 1910er-Jahre beleuchtet: Die Firma Schlüter & Söhne, der Bau des Gebäudes und letztlich, warum der Pferdestall Pferdestall heißt.
Das Familienunternehmen J.A. Schlüter wurde im frühen 19. Jahrhundert gegründet und war – ansässig in der Nähe der Petri-Kirche, direkt an der Hamburger Mönckebergstraße – einer der größten Hersteller und Vertreiber von Fuhrwerken in der Hansestadt.
Aufgrund des ständig wachsenden Geschäftsvolumens beschließt die Firmenleitung zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Geschäftsneubau. 1908 wird der neue Pferdestall der Firma Schlüter & Söhne eröffnet. Die Hamburger Nachrichten berichten am 17. April in ihrer Zweiten Morgen-Ausgabe, neben einem Report über den Urlaub der Kaiserfamilie auf Korfu und einem Kommentar zur schwelenden Dänenfrage in Schleswig-Holstein über den Neubau am damaligen Bornplatz:
„Die bekannte Firma J.A. Schlüter Söhne, die seit 101 Jahren an der Petri-Kirche das altrenomierte Luxusfuhrwesen betrieben hat, verlegt mit dem heutigen Tage ihre Zentrale nach ihrem imposanten Neubau Bornplatz 2, die mit allem Komfort und Einrichtungen der Neuzeit ausgestattet ist. Von den Einrichtungen, die die Firma geschaffen hat, seien einige erwähnt: Die geschmackvolle Fassade – im Barockstil gehalten – besteht aus Kalksandstein und lederfarbenen Verblendsteinen und ruht auf einem Sockel von schlesischem Granit. Im Parterre treten wir ein durch zwei große Einfahrten, die zu dem mittleren 600qm großen Hofplatz führen, der mit einem mächtigen Glasdach überdacht ist und zum Ausspannen und Reinigen der Equipagen dient. Zwischen den beiden Einfahrten befinden sich die hellen, geräumigen Kontorräume, im Hof links und rechts schließen sich die beiden Wagenremisen an und führt vorn noch ein großer Wagenaufzug in die Etagen. Nach hinten, durch einen Torweg getrennt, gelangen wir links in die modern eingerichtete Schmiede mit Pferdebeschlaghof, rechts auf einem dritten Hof an dem Maschinenhaus, Kesselhaus, Elektrizitätswerk, Brunnenanlage mit Pumpe, Warenaufzug, Siloanlage für Hafer und Brückenwaage sich befinden. Im Mittelgebäude führen links und rechts zwei breite Rampen zum Aufgang der Pferde für die Stallungen im 1. Stock. Dort sind in zwei großen Ställen links und rechts je 110 Pferde untergebracht. Im Vorder- und Mittelgebäude schließen sich die dazugehörigen Pferdegeschirr-, Livree- und Aufenthaltsräume für das Personal an. Zum zweiten Stockwerk führt eine Rampe zu den Stallungen und Nebenräumen. Die gesamte zweite Etage entspricht in ihrer Anordnung ungefähr der ersteren, so daß insgesamt über 200 Pferde hier Platz finden. In der dritten Etage, nach welcher ein Personen-, Wagen- und Pferdeaufzug führen, befinden sich Sattlerei, Lackiererei, Geschirrkammern und sechs Wagenremisen für ca. 100 Wagen. In der vierten Etage gelangen wir zu den großen Lagerräumen für Heu und Stroh, zur Häckselschneiderei usw. Nach vorn hin, getrennt vom Geschäftshause, führen in den vierten Stock zwei Treppenaufgänge, wo sechs Wohnungen für die Meister der verschiedenen Abteilungen des Betriebs liegen. Wenn man berücksichtigt, daß nur die Hälfte des ganzen Betriebes der Firma in diesem Gebäude untergebracht ist, so kann man sich erst einen richtigen Begriff von der Größe des ganzen Unternehmens machen.“
In den folgenden Jahren wächst das Unternehmen weiter. Zu Beginn der 1920er-Jahre expandiert Schlüter & Söhne und baut neben dem Pferdestall eine Werkstatt für Automobile – das heutige Abaton-Kino im Allende-Platz 3. 1928 dann wird der Pferdestall am Bornplatz von der Stadt Hamburg aufgekauft und zum Universitätsgebäude umgebaut. Das Familienunternehmen Schlüter & Söhne ist heute Automobilersatzteilehändler, ansässig in Hamburg-Rothenburgsort.
Text: David Weiß, Redaktion Politik 100×100
Ich war heute im Treppenhaus Und Fluren des Pferdestalls, in den Räumen der Politik- u. Sozialwossenschaftler. Ich sah eine Menge Graffiti und Aufkleber, aber nichts von auf die Historie des Hauses hinweisende Wandgemälde. Wo sind die denn ? Hat die jemand übermalt ?
Es gibt draußen am Haus (direkt, wenn man davor steht, nach oben blicken) noch ein Fries (Kutsche mit Pferden), das auf die einstige Funktion des Gebäudes hinweist.