Praxisaffine Theoriebildung. Oliver Krüger über Thomas Schramme, Gerechtigkeit und soziale Praxis (2006)

Thomas Schramme ist Professor für Philosophie an der Universität Liverpool. Von 2009 bis 2016 hatte er die Professur für Praktische Philosophie an der Universität Hamburg inne. Schramme gehört zu den Gründungsfiguren des jüngst genehmigten DFG-Graduiertenkollegs „Kollektives Entscheiden“ an der Universität Hamburg. Nach Stationen in Frankfurt am Main, Oxford und Berlin wurde er 2004 an der Universität Mannheim habilitiert und war ab 2005 an der Universität Swansea tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen vor allem in der Medizinethik und in der Politischen Philosophie. Für die Politische Theorie liegt in seinen Arbeiten eine methodische Provokation, da seine Theoriebildung auf den in der jeweiligen Bevölkerung vorliegenden Gerechtigkeitsüberzeugungen aufbaut.

Oliver Krüger arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt Lehre für Sozialwissenschaften und Ethik an der Medical School Hamburg. Seine Hamburger Dissertation ist jüngst unter dem Titel Das Gute im Sozialen. Eine perfektionistische Grundlegung des Sozialstaats (Campus, 2019) erschienen.


Ist die Politische Philosophie die geeignete Ansprechpartnerin für die richtige Lösung gesellschaftlicher Probleme? Thomas Schramme meldet hieran Zweifel an.[1] Seine Habilitationsschrift Gerechtigkeit und soziale Praxis soll ein „Störfeuer“ (11) auf Positionen abgeben, die allgemeingültige Gerechtigkeitsprinzipien jenseits des Pluralismus tatsächlicher Gerechtigkeits­auffassungen entwickeln. Schramme plädiert für eine Gerechtigkeitstheorie, die tatsächliche alltägliche Gerechtigkeitsauffassungen in die Theoriekonstruktion integriert. Die Theoriebildung ist bei ihm somit nicht von sozialen Praktiken entkoppelt, sondern praxisaffin. Dabei liegt der Fokus der gerechtigkeitstheoretischen Analyse auf konkreten Kämpfen um Gerechtigkeit und auf der politischen Inklusion der Bürger*innen.

Bereits in der Frage nach der Definition von sozialer Gerechtigkeit spiegelt sich der umfassende Anspruch des Buches wider. Viele Theoretiker*innen setzen soziale Gerechtigkeit mit Verteilungsgerechtigkeit gleich. Innerhalb dieses Paradigmas befasst sich der Begriff der Gerechtigkeit mit der Frage, was wir einander schulden, auf der Ebene der Güterverteilung.[2] Diese Sichtweise erscheint jedoch zu einschränkend. Oftmals verfehlen wir den Kern bestimmter Fragen der Gerechtigkeit, wenn wir den Begriff auf die Güterverteilung reduzieren. Sobald Bürger*innen Mitbestimmungsrechte und Freiheiten einfordern, reicht es nicht, wenn wir ihre Güterausstattung verändern (26). Auch die Forderung nach einer formalen Gleichbehandlung scheint in diesem Zusammenhang keinen Mehrwert zu bringen. Außerdem kann es sein, dass substantielle Gründe für eine Ungleichbehandlung vorliegen (39). „Meines Erachtens ist die Frage, welche Interessen akzeptiert werden beziehungsweise welche Regeln als gerechtfertigt gelten, eine Angelegenheit, die sich nicht philosophisch geschweige denn durch formale Gesichtspunkte verbindlich wird beantworten lassen“ (41). Hier wird bereits in der grundlegenden Konzeption der Gerechtigkeit eine zentrale Überzeugung der Gerechtigkeits­debatte ad acta gelegt: der Glaube, allein über trennscharfe begriffliche Abgrenzungen Gerechtigkeitsfragen lösen zu können.

Mit der Zurückweisung der besonderen Autorität einer begrifflichen Vorklärung verschiebt sich die Fragestellung von Gerechtigkeitstheorien grundlegend. Anstatt den Blick auf die allgemeingültige Lösung von Gerechtigkeitsproblemen zu richten, wird das Telos der Gerechtigkeit neu verortet. „Das grundlegende Ziel sozialer Gerechtigkeit ist es, jedem die Möglichkeit zu einem gelungenen Leben zu geben und damit den drohenden gesellschaftlichen Ausschluss aus der Gesellschaft zu verhindern“ (145). Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung verlieren viele Forderungen der Gerechtigkeitsdebatte an Relevanz. Ein Hauptaugenmerk wird dabei auf den Egalitarismus gelegt, der sich in der philosophischen Literatur großer Beliebtheit erfreut. Demnach folge aus der Gleichheit des moralischen Status aller Personen eine Gleichheit der Verteilung.[3] Schramme dagegen stellt die komparative Sichtweise des Egalitarismus zur Disposition. Der interpersonelle Vergleich ist somit nicht mehr das entscheidende Kriterium einer gerechten Verteilung. Vielmehr sollte „die absolute Position einer Person in einer Verteilungssituation“ (154) eine Rolle spielen. In vielen Fragen der Gerechtigkeit geht es nicht um Ungleichheit, sondern um konkretes Elend, das verringert werden muss (188). In solchen Fällen kann die Gleichheitspräsumtion sogar schädliche Folgen für eine Gesellschaft haben, weil nicht mehr nach absoluten Ansprüchen gefragt wird, sondern prinzipiell jeder so viel zugesprochen bekommt, wie im Rahmen der Gleichheit möglich ist (188f.).[4]

Mit dem Fokus auf die Inklusion grenzt sich die Konzeption der sozialen Gerechtigkeit weiterhin von John Rawls’ Gerechtigkeitstheorie ab. Rawls beschränkt seine theoretischen Bemühungen angesichts des herrschenden Pluralismus umfassender Lehren auf eine Gerechtigkeitskonzeption, die alle Bürger vernünftigerweise als akzeptabel ansehen (102). Diese Vorstellung der Grundstruktur einer wohlgeordneten Gesellschaft ist nach Schramme zu stark auf Versöhnung ausgerichtet. „Bei der Suche nach Frieden, Versöhnung und gesellschaftlicher Einheit führt [Rawls] aber die politische Philosophie in eine Sackgasse.“ (103) Der Bereich des Politischen, der eher dem Bereich des Verfassungsrechts ähnelt, ist bei Rawls erdenklich klein gesetzt. Dieses Unterfangen widerstrebt Schrammes Gerechtigkeitskonzeption. „Gerechtigkeitstheoretiker sollten sich nicht als Verfassungsrichter gebärden“ (104). Die Rawlssche ethische Enthaltsamkeit ist somit kein gangbarer Weg einer Gerechtigkeitstheorie, die sich der Inklusion von Bürger*innen verschreibt. Stattdessen sollte die Theorie mehr Raum für gesellschaftliche Konflikte um Gerechtigkeit lassen.

Reale Alltagsüberzeugungen spielen in vielen Gerechtigkeitstheorien entweder keine oder lediglich eine untergeordnete Rolle. Dabei wird angenommen, dass eine Gerechtigkeitstheorie, die Alltagsüberzeugungen eine konstitutive Rolle zuschreibt, dem Konventionalismus verfalle und auf eine unabhängige Rechtfertigungsinstanz verzichte. Ohne Bezug auf eine solche Instanz verfehlten Alltagsüberzeugungen den eigentlichen Kern der Gerechtigkeit (111)[5]. Unter Einbeziehung der Gerechtigkeitstheorien von David Miller und Michael Walzer werden diese Vorbehalte entkräftet. Empirische Untersuchungen zu alltäglichen Gerechtigkeitsvorstellungen können durchaus eine konstitutive Rolle in der Generierung von Gerechtigkeitsprinzipien spielen, indem sie zur genaueren Analyse gesellschaftlicher Beziehungsformen herangezogen werden. Dabei lassen sich mittels empirischer Untersuchungen Normen entdecken, die Bürger in Beziehungsformen als wichtig erachten. Zudem kann eine Interpretation vorliegender Praktiken geleistet werden. Auf diese Weise wird die Gerechtigkeitstheorie in der Wirklichkeit verankert (112-129)[6]. Schramme hat allerdings auch Kritikpunkte an den beiden Gerechtigkeitstheorien. Er wirft Miller und Walzer vor, den Pluralismus nicht hinreichend ernst zu nehmen (133). Beide Theoretiker hegen den Anspruch, mit einer Gerechtigkeitstheorie auch in umstrittenen gesellschaftlichen Bereichen, wie dem Gesundheitssystem oder der Organisation von Integration, eine gewisse Gültigkeit und Zustimmungsfähigkeit generieren zu können. Schramme zufolge sollte eine Gerechtigkeitstheorie dieses Ziel aufgeben und eher versuchen, sich im Pluralismus zu behaupten. „Eine Gerechtigkeitskonzeption sollte sich als Konkurrent auf dem Markt der Theorien begreifen, nicht als der philosophischen Weisheit letzter Schluss.“ (131). Zwar sollten sich Gerechtigkeitstheorien auf die Welt zubewegen und die Überzeugungen der Bürger*innen stärker berücksichtigen, aber sie sollten nicht den Anspruch hegen, den herrschenden Pluralismus überwinden zu können. Theoretische Bemühungen um Gerechtigkeit werden damit als ein Element begriffen, das sich demokratischen Auseinandersetzungen nicht entziehen kann, sondern in ihnen behaupten muss.

Konflikten um Gerechtigkeit wird also eine prägende Bedeutung zugesprochen. Auf einen fairen überlappenden Konsensus, den bei Rawls alle Gerechtigkeitskonzeptionen aufweisen sollten, wird bewusst verzichtet. Bereits das Faktum, dass Kämpfe um Gerechtigkeit geführt werden, ist ein Indikator für eine funktionierende Gesellschaft (138f.). Innerhalb dieser Kämpfe treten auch Gerechtigkeitstheoretiker*innen auf und „streiten um die angemessene Interpretation des Gerechtigkeitsbegriffs“ (139). Dadurch verschieben sich die Aufgaben der Gerechtigkeitstheorie:

„Erstens kann sie zu bestimmen versuchen, was wir uns (möglicherweise universell – als Menschen) wenigstens gegenseitig schulden. […] Zweitens kann sie anstreben, die notwendigen Mittel des Kampfes um Gerechtigkeit herauszuarbeiten. Drittens kann sie in gegenwartsbezogener Perspektive andeuten, was wir uns – als Gesellschaftsmitglieder – tatsächlich als gerechte gemeinschaftliche Ansprüche (partikular) zugestehen sollten, wenn wir unsere Gemeinschaft glaubhaft deuten. […] Viertens kann sie eine Zukunftsvision entwickeln, also einen Vorschlag unterbreiten, was wir uns zugestehen könnten.“ (139f.).

Die dritte Aufgabe einer Gerechtigkeitstheorie ist notwendigerweise auf die konkrete Gesellschaft beschränkt und sollte Ergebnisse der empirischen Gerechtigkeitsforschung berücksichtigen. Innerhalb des vierten Aufgabenbereichs fungiert die Gerechtigkeitstheorie als ein „Instrument des moralischen Fortschritts“ (140). Jenseits von vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen wird eine Gerechtigkeitskonzeption entworfen, die sich kontrafaktisch zum derzeitigen Zustand der Welt verhält. Es ist allerdings wichtig zu betonen, dass Schramme in diesem Zusammenhang nicht von einem Wahrheitsanspruch oder einer besonderen Rechtfertigungsposition der Theorie ausgeht. Die Politische Philosophie sollte innerhalb der vierten Aufgabe lediglich „Werbung für einen Standpunkt“ (140) machen, der einer unter vielen in einer Gesellschaft ist. Dementsprechend geht es eher um die emotionale Überzeugung als um die rationale Einsicht – eher um die Herzen als die Vernunft (140). Die Gerechtigkeitstheorie sollte sich also insgesamt in einem Bereich „zwischen Realismus und Gesellschaftsutopie“ (137) positionieren.

Unter dem Begriff der Inklusion werden verschiedene Sphären herausgearbeitet, in denen sich vor allem die ersten beiden Aufgaben einer Gerechtigkeitstheorie herauskristallisieren. Dabei geht es um eine theoretische Annäherung an die allgemeinen Voraussetzungen, die Menschen als Mitglieder von Gemeinschaften bereitgestellt werden sollten, damit sie ihre Position im Kampf um Gerechtigkeit wahrnehmen können. An dieser Stelle kommt die partikularistische Stoßrichtung der Theorie zum Vorschein. Exemplarisch kann man sich dies am Beispiel von Sozialstaaten verdeutlichen. Demnach gilt ein Sozialstaatsmodell als gerechtfertigt, „wenn es den gesellschaftlich vorherrschenden Auffassungen entspricht“ (197)[7]. Die Inklusion wird als ein Ziel des Sozialstaats definiert, aber wie und in welcher Hinsicht Menschen mittels sozialstaatlicher Leistungen inkludiert werden, obliegt dem Selbstverständnis konkreter Gemeinschaften. Soziale Praktiken und konkrete Kämpfe definieren damit einen Raum, für den die Gerechtigkeitstheorie die Voraussetzungen bereitstellt. Wenn eine Theorie genauer auf die Tiefenstruktur sozialstaatlicher Leistungen eingehen möchte, sollte sie die historisch entstandenen und vorherrschenden Gerechtigkeitsauffassungen einer Gesellschaft berücksichtigen.

Um ein moralisches Minimum zu bestimmen, greift Schramme auf Judith N. Shklars Ansatz eines Liberalismus der Furcht zurück[8]. Demnach ist es Aufgabe der Theorie, ein moralisches Minimum für die Bürger bereitzustellen, um „Grausamkeiten und die Furcht davor zu vermeiden“ (205). Die ethische Komponente, die sich hinter dieser Idee verbirgt, liegt in einer bestimmten Vorstellung von Freiheit. Nach dieser auf Thomas Hill Green zurückgehenden Konzeption positiver Freiheit geht es um die Bereitstellung der Voraussetzungen zur Realisierung eines Lebensideals, ohne dabei ein konkretes Ideal substanziell vorzuschreiben (213f.). Die Gerechtigkeit erfordert also die Bereitstellung der notwendigen Mittel, um ein minimales Maß an positiver Freiheit zu garantieren. Analog zur Kritik am Egalitarismus wird diese Forderung nicht-komparativ und absolut verstanden (220). Es kann zwar soziale Rechte über diese Freiheit hinaus geben, aber in der Ausbuchstabierung minimaler Freiheit geht es um das „unabweisbare moralische Minimum“ (221).

Um dieses Minimum in einer materiellen Dimension zu garantieren, wird auf unabweisbare Forderungen der Befähigung zurückgegriffen, die aus einem absoluten Bedürfnisbegriff und einem gesellschaftlichen Würdeschutz bestehen. Dem Bedürfnisbegriff liegt die trivial anmutende These zugrunde, dass substantielle Forderungen zur Vermeidung von Leid, wie das Stillen von Hunger und Durst, zu den Bedürfnissen eines jeden Menschen gehören (226). Auch dieser Anspruch gilt absolut und nicht in komparativer Hinsicht. Menschen kommen dabei absolute Bedürfnisse zu, um Leid zu vermeiden. Auf einer weiteren Ebene der Befähigung sollten Menschen als Bürger*innen konkreter Gemeinschaften Ansprüche und Anrechte zugesprochen werden (234). Sobald dieses Inklusionskriterium fehlt, sehen sich Menschen in ihrer Würde oder Anerkennung verletzt. Sowohl Bedürfnisse als auch die Würde und Anerkennung weisen einen Spielraum der sozio-kulturellen Ausgestaltung auf. Auch wenn die zentralen Inhalte der Forderungen nicht zur Disposition stehen, können Kämpfe um Gerechtigkeit entscheiden, wie eine Gemeinschaft die Wertbezüge konkret ausbuchstabiert. Die Inklusion wird also als eine Forderung der Gerechtigkeit begriffen, die sich sozio-kulturell durch soziale Praktiken und Kämpfe wandelt und konkretisiert.

Eine weitere Dimension der Inklusion ist auf der Ebene des Politischen zu verorten. Gruppen und Einzelpersonen müssen politisch wahrgenommen werden, um ihren Forderungen in Kämpfen um Gerechtigkeit Ausdruck verleihen zu können. Eine minimale Forderung ist hier das Wahlrecht. Darüber hinaus sind weitere Forderungen denkbar, wie Quotenregelungen oder besondere Minderheitenrechte (238). Auch hier obliegt es den Bürger*innen, diese Forderungen zu artikulieren. „Kämpfe um Gerechtigkeit manifestieren sich im politischen Kontext auch als Kämpfe um Inklusion.“ (238)

Mit diesem Bezug zur Inklusion wird gezeigt, wie eine praxisaffine Theoriebildung aussehen kann. Durch minimale normative Voraussetzungen werden Menschen dazu befähigt, selbst ihre Forderungen der Gerechtigkeit zu generieren und zu artikulieren. Diese Orientierung an sozialen Praktiken erfordert erstens den Verzicht auf hohe Begründungsansprüche. Insbesondere die Philosophie sollte sich also auf der Ebene der Generierung einer Gerechtigkeitstheorie von allgemeingültigen Antworten verabschieden. Im Geiste des Pluralismus sollten Philosoph*innen ihren Lehnstuhl verlassen und sich in Auseinandersetzungen um Gerechtigkeit engagieren. Zweitens kommt der Demokratie durch den Fokus auf soziale Praktiken ein besonderer Stellenwert zu. „Gerechtigkeit und Demokratie scheinen sich tatsächlich gegenseitig zu stützen“ (239). Soziale Gerechtigkeit lässt sich also nicht unabhängig von demokratischen Partizipationsprozessen ausbuchstabieren, sondern sollte im Gegenteil aus und mit ihnen bestimmt werden. In diesen theoretischen Überlegungen aus Gerechtigkeit und soziale Praxis zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Demokratie liegt ein wichtiger Schlüssel zur Lösung von Problemen. Anstatt auf Lösungen aus der Politischen Philosophie zu hoffen, sollten die Bürger*innen selbst entscheiden, wie sie ihre Gesellschaft gerecht ausgestalten.

Die Partizipationsmöglichkeiten, die Schrammes Gerechtigkeitstheorie Bürger*innen lässt, öffnen Räume für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Philosophie und Politikwissenschaft. Die Theorie gibt dabei einen Rahmen vor, der empirisch angereichert werden kann. Eine genauere Bestimmung der sozialen Gerechtigkeit setzt eine Kenntnis der Demokratie an sich und existierender Demokratien voraus. Weitere Informationen über demokratische Partizipationsprozesse, Inklusionsbestrebungen von Gruppen oder außerparlamentarische Bestrebungen der Meinungsartikulation sind nur einige Beispiele für Erkenntnisse, die für die Gerechtigkeitstheorie von Interesse sind. Die Erforschung von Demokratie(n) ist letztendlich ein wichtiger Bestandteil der Bestimmung sozialer Gerechtigkeit.


[1] Vgl. Schramme, Thomas, Wenn Philosophen aus der Hüfte schießen, Zeitschrift für praktische Philosophie 2 (2), 2015, S. 377-384.

[2] Der Fokus auf die Frage, was wir einander schulden, geht letztlich auf Sidgwick zurück (24), wurde aber in der modernen Gerechtigkeitsdebatte vor allem von Scanlon vertreten. Vgl. Scanlon, Thomas M., What We Owe to Each Other, Cambridge: Belknap, 1999.

[3] Diese Position geht auf Ronald Dworkin zurück.

[4] Nicht nur in Gerechtigkeit und soziale Praxis argumentiert Thomas Schramme gegen die Gleichheit als normative Forderung der Gerechtigkeit. In weiteren Publikationen macht er sich für eine Position stark, die in der Debattenlandschaft als antiegalitaristische Position betitelt wird. Vgl. z. B. Schramme, Thomas, Verteilungsgerechtigkeit ohne Verteilungsgleichheit, Analyse und Kritik 21 (2), 1999, S. 171–191. Schramme, Thomas, Warum Die Idee der Chancengleichheit im Bildungswesen sowie die Konzeption von Behinderung als Nachteil fehlgeleitet sind, in: Ivo Wallilmann-Helmer (Hrsg.), Chancengleichheit und Behinderung in der Bildung, Alber Verlag, 2012, S. 123-138.

[5] Diese Position stammt ursprünglich von Adam Swift. Vgl. z. B. Swift, Adam, Social Justice. Why Does It Matter What the People Think?, in: Daniel A. Bell/Avner De-Shalit (Hrsg.), Forms of Justice. Critical Perspectives on David Miller’s Political Philosophy, Rowman and Littlefield, 2003, S. 13-28.

[6] Vgl. Miller, David, Principles of Social Justice, Harvard University Press 1999. Walzer, Michael, Spheres of Justice. A Defense of Pluralism and Equality, Basic Books 1983.

[7] Vgl. Schramme, Thomas, Begründungsmodelle des Sozialstaats, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 7, 2006, S. 322–334.

[8] Vgl. Shklar, Judith N., Liberalism of Fear, in: Nancy L. Rosenblum (Hrsg.): Liberalism and the Moral Life, Harvard University Press, 1989, S. 21-38.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert